Foto: Gerhard Wasserbauer

Die "Bakery" des neuen Hotel Daniel: Florian Weitzer zeigt, dass sogar der Gürtel hip sein kann - man muss nur wissen wie.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schon wahr, der klassisch moderne Bau von Georg Lippert ist durch einen Vorgarten und eine Einfahrt von den sieben Fahrspuren des Gürtels getrennt, er hat kein Gegenüber und sieht - im Gegensatz zu den feinstaubigen Schlagobersburgen der Gürtel-Gründerzeit - auch wirklich gut aus. Das Belvedere liegt nebenan, in ein paar Jahren wird in Gehweite außerdem der neue Hauptbahnhof eröffnen. Dennoch ist Florian Weitzers Mut zu bewundern, sich ausgerechnet den Schmuddelboulevard der Stadt für sein erstes Wiener Projekt auszusuchen.

In Graz ist der Hotelerbe mit drei Häusern (Wiesler, Weitzer, Daniel) Platzhirsch und hat es verstanden, die angejahrten Bauten mit Gespür für Stil und Atmosphäre zu attraktiven, zeitgemäßen und nicht zuletzt preiswürdigen Locations zu formen. Jetzt ist er offenbar draufgekommen, dass da auch am Wiener Markt ziemlicher Nachholbedarf besteht. Das ehemalige Bürogebäude des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche kam ihm da gerade recht, immerhin ist es eine der wenigen Wiener Bauten des Nachkriegsjahrzehnts, die echtes Flair haben.

Eine Ahnhung von NYC am Gürtel

Einen wesentlichen Teil des Konzepts macht, wie im Wiesler und Weitzer, die Gastronomie aus, wobei für die Wiener Unternehmung deutliche Anleihen am Konzept des Wiesler genommen wurden: Ein bis auf die Grundmauern entkernter, zum Teil durchaus aufdringlich an eine Baustelle gemahnender Saal wurde nach mix&match-Manier mit bunt zusammengewürfelter Möblage versehen - manches ist neu, manches alt und abgeblättert, aber nix wackelt. In Kombination mit dem offenen Kamin, einem guten Lichtkonzept und der Panoramaverglasung, durch die das Grün des Gartens hereinleuchtet, wirkt das alles mehr als freundlich, frisch, irgendwie jung - fast wie Urlaub.

Das Essen macht über weite Strecken durchaus wacker mit. Mit Maisgries gestaubte und knusprig frittierte Sardellen sind topfrisch und mit einem gekonnt abgeschmeckten Joghurt-Dip versehen. Avocadosalat überzeugt mit saftigen Grapefruit- und Orangenfilets, Chilidressing und zwei fetten, in der Schale gegrillten Garnelen. Reuben Sandwich (im Bild) hingegen müht sich mit getoastetem Schwarzbrot (zäh), Pastrami, Käse und Sauerkraut sehr, eine Ahnhung von NYC an den Gürtel zu bringen - das geht sich aber nicht aus: Irgendwie lebt diese aberwitzige Keation von den obszönen Mengen an gepökelter Rinderbrust, die da drüben zwischen zwei Scheiben Brot geschaufelt werden - als brav belegtes Brot wie im Daniel sorgt es für Mitleid.

Ganzen Tag Frühstück

Dasselbe gilt für den labberigen, totgebratenen Burger, der erst durch überreichlich Steaksauce und scharfen Senf ins Flutschen gebracht werden kann - kein Vergleich zu den Prachtexemplaren im Grazer Stammhaus.

Frühstück ist an so einem Ort natürlich auch ein Riesenthema, und zwar den ganzen Tag lang. Wie übrigens auch Steaks - die dürfen dann auch in amerikanischer Kleidergröße zu Tisch. Zu trinken gibt es so ziemlich alles, wonach einem irgendwie gelüsten könnte (merkwürdige Ausnahme: Schampus) und ziemlich viel, was keiner braucht. Unbedingt kosten aber sollte man die hausgemachte Kardamom-Minz-Limonade im großen Glas: Grandios, mit der könnte noch jemand reich werden! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 23.03.2012)