Sabine Derflinger.

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"Falsch verpackt": Der "Tatort" am Sonntag.

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STANDARD: Sie sind erste Österreicherin, die bei einem österreichischen " Tatort" Regie führte. Warum hat das so lange gedauert?

Derflinger: Ich will schon ewig einen Tatort machen. Ein großer Wunsch. Ich mag das Format, weil es viele Möglichkeiten hat.

STANDARD: Und gibt es eine typisch weibliche Handschrift im "Tatort"?

Derflinger: Es geht eher darum, zu betonen, dass Frauen zu wenig Platz haben im Fernsehgeschäft. Sie kommen nicht zum Zug und sind klar benachteiligt. Die Handschrift ist meine persönliche.

STANDARD: Wie zeigt sich das in "Falsch verpackt"?

Derflinger: Ich bin stärker ins Genre und in einen Look gegangen und habe mich sehr auf die Personen konzentriert.

STANDARD: Auffallend belebend ist die Musik. Eine bewusste Abkehr von der TV-Einheitsberieselung?

Derflinger: Gerhard Schuller ist ein ausgezeichneter Musiker, und wir kennen uns seit Jahren. Wir setzten beim Tatort auf Geschwindigkeit, auf Stimmung und Atmosphäre und nicht darauf, dass Musik bestimmte Emotionen unterstützt.

STANDARD: Worauf legten Sie Ihr Augenmerk in der Optik?

Derflinger: Meine erste Tat war, dass ich alle Männer in Anzüge gesteckt habe. Ich wollte, dass alle Figuren einen bestimmten Stil haben. Es ging nicht darum, realistische Kostüme zu machen, sondern Kostüme, die etwas Inneres von der Figur nach außen tragen. Detto mit den Motiven. Mir gefiel gut, dass die gruselige Fleischgeschichte in Wien spielt und sich darin das Wienerische noch stärker spiegelt.

STANDARD: Das irritiert aber oft beim "Tatort", dass die Kommissare ihre Stadt, ihr Land bewerben. Im Kontext ist das okay?

Derflinger: Ich fand es für die Geschichte gut, Riesenrad und Oper zu zeigen. Es gab aber nicht die Auflage, ich müsse die Stadt zeigen. Das war meine eigene Lust.

STANDARD: Der "Tatort" ist für viele fixer Termin: Letzte Bastion eines einstigen Rituals?

Derflinger: Der Tatort und alle Krimis nach dem Zweiten Weltkrieg funktionierten deshalb so gut, weil es immer darum ging, dass ein oder zwei Menschen jeden Sonntag die Welt in Ordnung bringen. Irgendwann bekamen die Kommissare ein Privatleben, gingen in Therapie, plötzlich spiegelten sich die Lebensverhältnisse wider. Wenn heute die Kommissare antreten, die Welt zu ordnen, sieht man, dass es ihnen nicht gelingt. In den 1950er-Jahren wäre ein TV-Krimi undenkbar, der nicht restlos aufgeklärt wird.

STANDARD:  In Deutschland gibt es eine Diskussion über Einmischungen von Redakteuren in die Fernseharbeit. Wie ist das in Österreich?

Derflinger: Meine Erfahrung ist, dass das eine gemeinsame Arbeit ist. Im deutschen Fernsehen mag das sehr wohl so sein, und das ist grauenvoll. In Österreich ist das zum Glück nicht so. Mir hat niemand etwas verboten. Der Tatort schaut genau so aus, wie ich ihn haben wollte.

STANDARD: In Österreich sehen Filmschaffende Fernsehen gern als Kino zweiter Klasse. Wie ist das mit Ihnen?

Derflinger: Fernsehen hat andere Voraussetzungen, ist mit einem Programmplatz und einer gewissen Art von Mainstream verbunden. Ich gehe an beides mit der gleichen Sorgfalt heran.

STANDARD:  Mit Harald Krassnitzer drehen Sie derzeit als "Mediator". Wie geht's voran?

Derflinger: Wir arbeiten an den Büchern. Es sind schöne Figuren. Wir versuchen intensiv alles vorzubereiten, aber wir müssen unglaublich schnell drehen. Acht Drehtage für 48 Minuten.

STANDARD: Wieso die große Eile?

Derflinger: Vieles ist heute schneller geworden, weil die Kommunikationstechniken anders sind und wir uns ein höheres Tempo angeeignet haben. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr schneller geht, und es hat ja auch keinen Sinn, ständig die Crews auszubeuten. Das ist der Wahnsinn, welche Bedingungen in der Branche herrschen. Filmarbeiter und Filmarbeiterinnen sind so wahnsinnig enthusiastische und solidarische Menschen. Da finde ich es manchmal unverschämt, was man den Leuten alles abverlangt. Es gibt mittlerweile so viele, die vieles gratis machen.

STANDARD:  Prekäre Arbeitsverhältnisse am Set?

Derflinger: Im Moment ist es besonders schlimm, weil so wenig Geld da ist für das Programm. Es kann nicht sein, dass die mit den wohlerworbenen Rechten bis an ihr Lebensende leben und die anderen nicht einmal anfangen, überhaupt Rechte zu erwerben. Zu meinen Studenten sage ich immer: Wenn ich einen erwische, der umsonst arbeitet, den schließe ich nicht ab. Unpackbar, was sie sich gefallen lassen. Ich glaube, ich könnte jemanden haben, der mir gratis die Schuhe zubindet, nur damit er etwas in seiner Vita stehen hat. Die Sender müssten die Stunde null ausrufen und ihr Budget neu strukturieren. (Doris Priesching, DER STANDARD, 24./25.3.2012)