Wien - Die Aufräumarbeiten in der ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) fördern einiges an Ungereimtheiten zutage. Darunter finden sich neben mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen an Zollbehörden in Russland, Rumänien und der Türkei auch Unregelmäßigkeiten in Österreich.

Die sind pikant, denn der ÖBB-Güterverkehr wurde offenbar über Jahre von Geschäftspartnern aus der Speditionsbranche übers Ohr gehauen. Akteure in dem Stück, das in Oberösterreich spielt, sind RCA und ihr Bahntransportableger Inter Container Austria (ICA), die Gartner KG in Lambach und der US-Konzern Procter&Gamble (P&G), dessen Waschmittel-, Hygiene- und Reinigungsmitteltransporte von Westeuropa nach Griechenland und in die Türkei von Gartner organisiert und abgerechnet wurden.

Der Hausruckviertler Spediteur bediente sich dabei der Züge von ICA/RCA und deren Partnerbahnen im Ausland. Und: Es soll nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein. In einer dem Standard vorliegenden Strafanzeige beim Landeskriminalamt Oberösterreich erhebt P&G schwere Vorwürfe: „Die Spedition Gartner [hat] gegenüber der RCA unsere Containergewichte nach unten hin (jeweils ca. 10 t. pro Container!) abgeändert. Dadurch wurde ein geringeres Zuggewicht abgerechnet und die Spedition Garner erwirtschaftete so einen illegalen Bonus." Beim daraufhin erfolgten Audit der Spedition im April 2011 „mussten wir feststellen, dass die Vorwürfe durch die Gartner KG mündlich bestätigt wurden!"

Verdacht auf schweren gewerbsmäßigen Betrug

Der Verdacht sollte sich im Zuge der Ermittlungen erhärten. Diese seien „sehr weit fortgeschritten", verlautet aus dem Landeskriminalamt, die Causa werde demnächst der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Es geht um Verdacht auf schweren gewerbsmäßigen Betrug. Die Höhe des Schadens wurde weder im LKA noch von der ÖBB/RCA beziffert.

Auch der Chef der Gartner KG, Richard Gartner, war zu keiner Stellungnahme bereit; es gilt die Unschuldsvermutung.

In der RCA geht man davon aus, dass sich Gartner durch Überladung und getürkte Gewichtsdeklarationen seit 2009 mindestens einen Zug pro Woche und Richtung nach Tessaloniki erspart hat. Bei 92 Zügen pro Jahr wird das entgangene Entgelt in internen Berechnungen auf bis zu 1,8 Mio. Euro pro Jahr taxiert. Macht über drei Jahre 4,67 Millionen Euro, davon die Hälfte fehlte allein Gesellschaften des ÖBB/RCA-Konzerns.

Bleibt die Frage, warum die RCA-Führung - seit 2010 über Unregelmäßigkeiten, seit Juli 2011 über die Gewichtsprobleme informiert - nicht selbst Anzeige erstattet hat. Im laufenden Verfahren werde RCA als Geschädigte geführt, man habe sich als Privatbeteiligte angeschlossen, betont eine Sprecherin. Und: Bei betroffenen Partnerbahnen habe man im rechtlichen Sinn Tätige Reue geleistet und Entschädigungen geleistet. Seither werde auch regelmäßig kontrolliert und gewogen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD; 24./25.3.2012)