Der Dokumentarfilm "The Cove" zeigte sehr eindringlich die langen Qualen der Delfine bei der Jagd in Japan.

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Autor Hans Peter Roth (rechts) begleitete teilweise Tierschützer Richard O'Barry (links) bei den Dreharbeiten in der Gemeinde Taiji dabei und wurde von Delfinjägern tätlich angegriffen.

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Der Dokumentarfilm zeigt die grausamen Tötungsmethoden.

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Zunächst werden die Delfine zusammengetrieben und dann mit Eisenstangen erstochen. Selten tötet der erste Stich.

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Die Tierschützer arbeiteten mit versteckte Kameras, um die Praktiken der Delfinjäger zu dokumentieren.

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Die Tiere werden oft bei lebendigem Leib ausgeblutet.

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Der Schauplatz der Delfinschlachtung ist die japanische Gemeinde Taiji.

Foto: Hans Peter Roth

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Die schönsten Delfine werden aussortiert und an Delfinarien in der ganzen Welt verkauft.

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Hans Peter Roth hat gemeinsam mit Richard O'Barry ein Buch zum Film geschrieben.

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Der Dokumentarfilm "Die Bucht" ("The Cove") sorgte 2009 für Aufsehen. Darin wurde das Schlachten von Delfinen in der japanischen Bucht von Taiji dokumentiert. 2010 gab es dafür einen Oscar. Der Journalist Hans Peter Roth begleitete Protagonist und Tierschützer Richard O'Barry im Herbst 2008 nach Taiji. Dabei wurde er von Delfinjägern auf öffentlichem Boden tätlich angegriffen. Ein ARD-Team filmte den Vorfall, eine Sequenz davon ist im Film zu sehen. Gemeinsam mit O'Barry hat Roth das Buch "Die Bucht: Flippers grausames Erbe" geschrieben. Im Gespräch mit derStandard.at berichtet er von der aktuellen Situation von Delfinen und Walen in Japan.

derStandard.at: "The Cove" hat vor zwei Jahren einen Oscar gewonnen. Hat dadurch ein Umdenken in Japan stattgefunden?

Hans Peter Roth: Teilweise. Die Nachfrage nach Delfinfleisch ist weiter zurückgegangen. Der Film hat aber auch einen starken nationalistischen Trotzreflex ausgelöst. Nach dem Motto: "Von den Amerikanern lassen wir nicht mit dem Finger auf uns zeigen."

derStandard.at: Wie viele Delfine werden pro Jahr in der Bucht von Taiji getötet?

Roth: Die Fangquote ist innerhalb der letzten Jahre von rund 2.400 auf 2.100 gesunken. Dieses Jahr wurden rund 820 Tiere gefangen, circa 720 davon getötet, etwa 50 in Gefangenschaft genommen und 50 freigelassen.

Dies sind inoffizielle Zahlen, die von Beobachtungen und manchmal unpräzisen Zählungen von Aktivisten stammen, welche versuchen, die Delfinjagd-Aktivitäten vor Ort zu überwachen. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Harpunenjagd, wo Delfine im offenen Meer erlegt werden. Dies lässt sich sehr schwer beobachten und kontrollieren.

derStandard.at: Der Rückgang hängt aber auch mit der Schadstoff-Problematik zusammen. Immer wieder gibt es Berichte, dass das Fleisch zum Beispiel mit Quecksilber verseucht ist. Gibt es dazu aktuelle Untersuchungen?

Roth: Japan erlaubt in seinen Küstengewässern den Fang von jährlich etwa 20.000 Zahnwalen, dazu zählen verschiedene Delfine, Schweinswale und Schnabelwale. Als Beutegreifer am Ende der marinen Nahrungskette sind diese Tiere hochgradig mit Quecksilber, polychlorierten Biphenylen (PCBs) und anderen giftigen Substanzen kontaminiert.

Wal- und Delfinfleisch wird auch über das Internet vertrieben. Im Dezember 2011 standen 147 Walprodukte auf Amazon Japan zum Verkauf. Die Environmental Investigation Agency hat acht dieser Walprodukte untersuchen lassen, darunter Walfleischkonserven, Walspeck und getrocknetes Walfleisch. Die Analyse des Fleisches ergab, dass sechs der acht Produkte eine Quecksilberbelastung aufwiesen, die 50-mal höher lag, als es die Grenzwerte in Japan erlauben. (Mittlerweile wurden die Produkte von Amazon aus dem Sortiment genommen, Anm.)

derStandard.at: Kritik gibt es auch an der bestialischen Art und Weise, mit der viele Delfine richtiggehend niedergemetzelt werden. Bilder solcher Treibjagden schockierten auch im Dokumentarfilm. Sie waren vor Ort: Können Sie darüber etwas erzählen?

Roth: Diese Kritik ist und bleibt vollauf gerechtfertigt. Bis vor wenigen Jahren trieben die Jäger die Delfine in der Todesbucht zusammen, einem durch Felsen von der Sicht abgeschirmten kleinen Seitenarm der Hatajiri-Bucht in Taiji. Sie metzelten die Tiere nieder, indem sie wahllos mit Lanzen und Messern auf sie einstachen und einhieben, bis sie verbluteten. Andere schlitzten sie am Strand oder im seichten Wasser buchstäblich auf, um sie bei lebendigem Leib verbluten zu lassen.

Wale und Delfine kennen keinen "Schockzustand" oder eine "Beutestarre", ansonsten würden sie als Luft atmende Säugetiere ja ertrinken. Für sie ist also das Ausbluten noch schmerzvoller.

derStandard.at: Jadgfreundliche Medien in Japan berichten immer wieder von neuen Methoden der Tötung. In "Die Bucht" wurde durch sehr grausame Bilder dokumentiert, dass dadurch der Todeskampf der Tiere nicht verkürzt wird. Was hat sich in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet getan?

Roth: Das japanischen Fischereiministerium wollte die internationale Gemeinschaft und die Tierschützer schon um 2005 mit Lügenpropaganda beschwichtigen, es gebe eine neue Tötungsmethode. Dabei werde den Delfinen mit einem speziellen Messer das Rückgrat durchtrennt, so dass sie binnen weniger Sekunden tot seien. Die Aufnahmen der versteckten Kameras im Film "Die Bucht", aufgenommen zwischen 2006 und 2008, entlarvten diese offizielle Behauptung als Lüge.

Mittlerweile gibt es tatsächlich eine neue Tötungsmethode: Dabei rammen die Jäger den Delfinen eine Art spitzen Metallstab ins Rückgrat und stochern darin herum. Die Tiere sind dabei in den seltensten Fällen sofort tot. Oft sind sie gelähmt und ertrinken dann, weil sie ihr Blasloch nicht mehr an der Oberfläche halten können, oder sie werden noch lebend ins Schlachthaus transportiert, wo sie bei lebendigem Leib ausgeweidet werden.

derStandard.at: Viele Japaner haben eine andere Beziehung zu Delfinen als Menschen in Europa. Wie sehen viele Japaner Delfine und wieso?

Roth: "Kujira" ist der Begriff für Wal, das kann man als Monsterfisch übersetzen. "Iruka" ist der Begriff für Delfin und hat keine direkte sinnhafte Bedeutung. Wale wurden früher massenhaft, bis fast zur Ausrottung, gejagt und verzehrt. Heute isst kaum mehr jemand in Japan Walfleisch, außer einige ewiggestrige Nostalgiker. Deshalb sitzt Japan auch auf Bergen von Walfleisch und setzt bizarrerweise trotzdem die Waljagd zurzeit noch fort.

Zu den Delfinen haben die Japaner ein gespaltenes Verhältnis. Die moderne urbane Bevölkerung mag die Delfine. Da käme es nur wenigen in den Sinn, Delfinfleisch zu essen. Trotzdem setzt sich kaum jemand für ihren Schutz ein. Fischer betrachteten die Delfine oft als lästige Nahrungskonkurrenten.

derStandard.at: Welche Lobby steckt hinter den Delfinjagden?

Roth: Zum einen die Delfinarien-Industrie. Ohne diesen zynischen Lebendhandel – die schönsten Tiere lebend zum Verkauf auslesen und die restlichen abschlachten – wäre die Delfinjagd schon längst nicht mehr lukrativ. Auch die hoch subventionierte Walfang-Industrie und das Fischereiministerium stehen hinter der japanischen Gemeinde Taiji als "Wiege des Walfangs". Außerdem befürchtet Japan, wenn es sich bei der Wal- und Delfinjagd reinreden lässt, dass es dann aufgrund von internationalem Druck plötzlich andere Meerestiere auch nicht mehr fangen könnte.

derStandard.at: Stichwort Delfinarium: Welche Preise erzielen die Tiere und in welchen Ländern landen sie?

Roth: Höchstpreise lagen bei deutlich über 200.000 Dollar. Viele Tiere werden irgendwo zwischen 25.000 und 100.000 Dollar gehandelt, je nach Angebot, Destination und nachdem, wie weit der jeweilige Delfin schon an die Gefangenschaft gewöhnt und dressiert ist.

Delfine aus Taiji landen auch in Europa, beispielsweise in der Ukraine. Weitere Destinationen sind die Türkei, Ägypten, die Arabischen Emirate, China, Korea und die Philippinen. Das sind aber nur ein paar Beispiele.

derStandard.at: Welche Fortschritte gibt es in Europa in Sachen Delfinschutz?

Roth: Mitte März hat das Schweizer Parlament ein Einfuhrverbot für Wale und Delfine in die Schweiz beschlossen. Dies, nachdem im Freizeitpark "Connyland" in den letzten vier Jahren acht Delfine verendet sind. Dies bedeutet das Ende für dieses Delfinarium, wo zurzeit noch drei Delfine gehalten werden.

Möglicherweise wird das Importverbot noch zu einem Haltungsverbot verschärft. Österreich und Luxemburg sind bereits "Delfin-frei". Bald wird es also nur noch in Deutschland als letztem deutschsprachigem Land Delfinarien geben. Zurzeit gibt es noch drei in Nürnberg, Duisburg und Münster. Münster schließt noch dieses Jahr. (Julia Schilly, derStandard.at, 27.3.2012)