Das Römische Bad am Praterstern gehörte einst zu den luxuriösesten Bädern der Welt. Zur Weltausstellung 1873 von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet, war es schnell ein Treffpunkt der gehobenen Schichten, bis es im Zweiten Weltkrieg nach einem Bombentreffer geschlossen wurde und in Vergessenheit geriet. Nun gibt es eine interessante Wendung.

Wer in Budapest nach einem harten Arbeitstag Entspannung sucht, geht in eines der Türkischen Bäder wie das Rudas oder das Király-Bad und lässt den Tag im Wasser ausklingen. Vom Bauarbeiter bis zur Oma, vom Manager bis zur Studentin - im Bad sind alle gleich, lassen sich im Becken treiben, schauen an die Decke, plaudern oder schwitzen in der Dampfkammer. Hier schwimmt man nicht, sondern man badet und entspannt sich - und das mit Kultur und Tradition. Diese teilweise über 400 Jahre alten Bäder mit ihren Säulen und Glasmosaiken sind auch ein Geheimtipp für Touristen und ziehen jährlich tausende Reisende an.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Auch in Wien gab es einmal solche Bäder. Etwa das 1872 erbaute Römische Bad am Praterstern, das zur Weltausstellung 1873 als luxuriöse Einrichtung für die gehobenen Schichten etabliert wurde. Es setzte zu dieser Zeit Maßstäbe und gehörte zu den größten Dampf- und Heißluftbädern der Welt. Selbst Kaiser Franz Joseph I. besuchte es kurz vor seiner Eröffnung, viele Monarchen, Kaiser und Prominente folgten später. Das Bad wurde zu einem wichtigen Treffpunkt für Alt und Jung, Arm und Reich, bis es im Zweiten Weltkrieg von Bombentreffern beschädigt wurde und geschlossen werden musste.

Foto: Wikipedia/Creative Commons

Nach dem Krieg wurde die Liegenschaft als Bürogebäude vom Kunststoffproduzenten Heinrich Schmidberger Werke (HSW) genutzt. Aufgrund des fehlenden Interesses des Bundesdenkmalamtes konnte das Gebäude im Renaissancestil zu einem großen Teil abgerissen und durch neue Baukörper im Stil der 1960er-Jahre ersetzt werden. Dadurch wurde nicht nur ein architektonisch wichtiges Gebäude Wiens zerstört - sondern auch die Gemälde von Hans Canon im Vorsaal des Herrenbades sowie Figuren von Franz Melnitzky, einem der bedeutendsten österreichischen Bildhauer.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Von außen zeugt nur noch die Fassade an der Holzhausergasse von der Geschichte des Hauses. Sie wurde erhalten, der Baukörper dahinter wurde jedoch entkernt und mit mehreren Etagen neu "aufgefüllt". Das alte Römische Bad verschwand aus den Köpfen der Menschen und wurde zur verklärten Anekdote über die Kaiserzeit in Wien. Doch ist das Bad tatsächlich komplett zerstört worden?

Foto: Allgem. Bauzeitung 1874, Michael Hierner / www.hierner.info

Bei einem Besuch vor Ort zeigen sich im Innenhof tatsächlich noch Strukturen des Bades. Sie decken sich mit einem Grundriss, der 1874 in der "Allgemeinen Bauzeitung" veröffentlicht wurde.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Im Inneren ist klar zu erkennen, dass ein Großteil des Römischen Bades keineswegs von Bomben zerstört, sondern einfach nur schonungslos "adaptiert" wurde. So wird das ehemalige Herzstück der Badeanlage, das von 28 Säulen getragene Männerbad mit seinen zwei je 45 Quadratmeter großen Badebecken, nun als Geschäftsfläche für Installateur- und Sanitärbedarf genutzt. Der Vergleich mit dem 140 Jahre alten Foto (Bild 2) verblüfft und macht sprachlos: Wäre eine Renovierung des Bades möglich?

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Alte Bauzeichnungen zeigen, wie viel vom Gebäude tatsächlich noch vorhanden ist. Ohne Denkmalschutz kann mit dieser historischen Bausubstanz jedoch alles gemacht werden - theoretisch könnte das Römische Bad vom Besitzer auch abgerissen werden. Es stellt sich die Frage, warum das Stadthallenbad aus den 1970er-Jahren unter Denkmalschutz steht, ein 140 Jahre altes Römisches Bad jedoch vom Bundesdenkmalamt bisher nicht als schutzwürdig betrachtet wurde.

Foto: Allgem. Bauzeitung 1874

Auch andere Teile des alten Römischen Bades existieren noch: Die fast perfekt erhaltene "Fottir-Stube" (li.) wurde zur Lagerfläche für Akten der ÖBB umfunktioniert, und so manche freistehende antike Säule wurde einfach eingemauert (Mi.). Besonders hart traf es das Frauenbad (re.), das in der Mitte förmlich auseinandergeschnitten wurde.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Die Fenster am Plafond im Männerbad und der Stuck sind ident mit Bauzeichnungen von 1872. Unweigerlich fühlt man sich in eine verloren geglaubte Zeit zurückversetzt.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Für die Verleihung des Denkmalschutzes ist das Vorhandensein von Original-Bausubstanz wichtig. Wie hier zu sehen ist, ist etwa der Dachstuhl noch erhalten und wurde nur teilweise mit neuem Holz ergänzt. Auch Ziegel des Bades sind noch vorhanden.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Selbst die Zahnräder der fernsteuerbaren Belüftungsanlage sind noch am Dachboden montiert und geben einen Einblick in die fast 150 Jahre alte Haustechnik.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Der schönste Raum war jedoch der runde Badesaal mit seiner sieben Meter hohen und von acht Säulen getragenen Kuppel. Insgesamt war dieser Teil des Gebäudes 17 Meter hoch. Die Kuppel wurde jedoch beim Umbau in den 1970er-Jahren entfernt, der runde Raum dient nun als Lagerfläche. Die Dimensionen des Raumes hätten sogar die bekannten Budapester Bäder Rudas und Király in den Schatten gestellt.

Foto: Allgem. Bauzeitung 1874, Michael Hierner / www.hierner.info

Nach einer Renovierung könnte das Bad mit seinen grünen Fliesen heute etwa als Wellness-Hotel viele Gäste nach Wien locken und auch für die Wiener ein einzigartiger Treffpunkt sein. Doch das Bundesdenkmalamt hat vor dem Umbau in den 1970er-Jahren die übrig gebliebenen Reste des Römischen Bades nicht unter Denkmalschutz gestellt und auch die vergangenen 40 Jahre regelrecht verschlafen. Die Reaktion des Bundesdenkmalamtes vier Wochen nach Vorlage der hier gezeigten Fotos war recht matt: "Es ist nicht klar, ob überhaupt ein Interesse des Bundesdenkmalamtes zum Schutz der Räume besteht, das muss erst geklärt werden ..."

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

"Wir werden die Akten aus dem Keller holen, es wird in Angriff genommen, man muss erst ein Gutachten machen, der Besitzer wird mal angeschrieben", so das Bundesdenkmalamt weiter. Wann diese Ergebnisse vorliegen werden, könne jedoch nicht gesagt werden. Und da aus der Sicht des Bundesdenkmalamtes "keine Gefahr im Verzug" sei, werde das wohl auch noch einige Zeit dauern.

Ein großer Teil des Gebäudes ist also noch vorhanden und könnte wieder zu einem alten Römischen Bad renoviert werden. Es ist zu hoffen, dass der Besitzer bis dahin nicht das Objekt wegreißt, um einem möglichen Denkmalschutz zu entgehen. (Michael Hierner, derStandard.at, 28.3.2012)

Online-Petition

Interessenten können der Facebook-Initiative "Rettet das Römische Bad am Praterstern" beitreten.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info