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Jean-Luc Mélenchon, einmal von hinten ...

Foto: REUTERS/Laurent Capmas

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... und einmal von vorne.

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Die französischen Medien nennen ihn schon den dritten Mann: Jean-Luc Mélenchon, Präsidentschaftskandidat der "Linksfront" legt in den Meinungsumfragen immer mehr zu. Der 60-jährige Ex-Sozialist bewirbt sich heute für die Kommunisten und seine Parti de Gauche, die Oskar Lafontaines "Linker" nachempfunden ist; und er kommt nun auf etwa 15 Prozent der Umfragestimmen und liegt damit teilweise im dritten Rang - vor der Rechtsextremistin Marine Le Pen und dem Mittepolitiker François Bayrou.

Noch liegt Mélenchon weit hinter den beiden Frontrunnern François Hollande und Nicolas Sarkozy (je ungefähr 28 Prozent) zurück, was die Vorhersagen für den ersten Wahlgang am 22. April betrifft. Doch die Dynamik ist klar auf seiner Seite. Vor ein paar Tagen vereinigte der Mann mit der roten Krawatte mehrere zehntausend Anhänger an der Place de la Bastille in Paris, wo es nicht an revolutionären Anleihen fehlte und Mélenchon zum "Bürgeraufstand" aufrief. Am Dienstagabend ist er in Lille (Nordfrankreich) aufgetreten - und zu seiner eigenen Überraschung strömten weit über 10 000 Besucher herbei.

Zu Tränen gerührt ob dieses Ansturms, trat Mélenchon vor den Versammlungsraum, wo die überzähligen Anhänger warteten. "Der Fluss ist aus seinem Bett getreten", rief er in seiner pathetischen Art aus und kündigte bereits seinen Einzug in die Stichwahl an, nachdem er minutenlang über seine Lieblingszielscheibe, die „Schakale des Front National", hergefallen war.

Solche spontanen Auftritte wirken viel stärker als die oft bemühenden, millimetergenau kalibrierten Inszenierungen der beiden Spitzenkandidaten. Mélenchon ist ein Volkstribun, und mit seiner grimmig-verdriesslichen Art verkörpert er fast perfekt den "râleur", den französischen Stänkerer.

Dazwischen schimmert immer wieder sein schräger Humor durch. "We are very dangerous" (wir sind sehr gefährlich) meinte er in Lille in schlechtestem Englisch.

Das war eine Replik auf eine Bemerkung Hollandes, der in London erklärt hatte: "I am not dangerous" - was den britischen Investoren die Angst vor einem Wahlsieg der französischen Sozialisten nehmen sollte.

In Paris kam Hollandes Satz aber als Kniefall vor den Finanzmärkten an, was Mélenchon nun genüsslich ausnützt. Seine Verballhornung in Lille war aber auch auf die Umfragen gemünzt: Der Kandidat der französischen Linkspartei könnte Hollande bald einmal gefährlicher werden, als diesem lieb ist. An sich hat der pragmatische Spitzenreiter des Parti Socialiste nichts dagegen, wenn Mélenchon seine linke Flanke abdeckt - und im zweiten Wahlgang dann zu seiner Wahl aufruft, um die Wiederwahl Sarkozys zu verhindern.

Mélenchon und die Psychologie

Wenn aber Mélenchon immer stärker wird und dem blassen Hollande im ersten Wahlgang zunehmend Stimmen wegnimmt, dürfte dieser nur noch als Zweitplatzierter hinter Sarkozy in die Stichwahl einziehen. Für Hollande wäre das ein psychologisch starkes Handicap.

Einzelne PS-Vertreter suchen deshalb diskret Kontakte zum Mélenchon-Lager zu knüpfen, um eine Selbstzerfleischung der Linken zu verhindern. Doch Mélenchon will von solcher Taktiererei nichts wissen; in Lille betitelte er seine früheren Parteifreunde PS-Genossen nur als "grosse Lügner". In einem Interview hatte er schon erzählt, wie ihn Hollande reinzulegen versucht habe:

Das Hollande-Lager lernt wieder eine alte Weisheit: Mit Partei-Dissidenten ist selten gut Kirschen essen. (Stefan Brändle, derStandard.at, 28.03.2012)