Wien - Genauso wie der Herzinfarkt vor 30 Jahren vollzieht sich auch bei den chronischen Lungenerkrankungen - speziell bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) - ein Wandel: Was ehemals als "Männerkrankheit" galt, wird zunehmend zu einer weiblich dominierten Erkrankung. Bei der COPD dürfte die epidemiologische Entwicklung vor allem auf die Zunahme des Anteil der Raucherinnen zurückzuführen sein. Doch es gibt auch Unterschiede bei Männern und Frauen nach Lebensalter und Lebenssituation, hieß es bei einem Hintergrundgespräch in Wien.

Klar ist, dass die Entwicklung der COPD vom Raucherhusten zum Lungenemphysem vor allem durch den Zigarettenkonsum vorangetrieben wird. Die Wiener Sozialmedizinerin Anita Rieder: "Bei den über 15-jährigen Frauen rauchen in Österreich mehr als 20 Prozent, in manchen Bildungsschichten bis zu 50 und 60 Prozent. Bei den über 15-jährigen Burschen rauchen weniger als 20 Prozent."

Frauen haben höheres Erkrankungs-Risiko

Die Sache ist ein Mix zwischen Verhalten, Genetik, allgemein sozialen und medizin-soziologischen Komponenten. Norbert Vetter, Primararzt am Otto Wagner Spital in Wien: "Es ist uns Lungenfachärzten unerklärlich, warum 40-jährige Frauen ein 16-prozentiges Risiko haben eine COPD zu entwickeln, Männer aber nur ein zehnprozentiges Risiko. Frauen zeigen auch einen schwereren Verlauf der Erkrankung und haben mehr Bedarf an künstlicher Sauerstoffversorgung."

Beim Asthma gibt es offenbar große Unterschiede zwischen den Geschlechtern je nach Lebensalter. Das könnte auch hormonbedingt sein. Felix Wantke, Leiter des Allergieambulatoriums Floridsdorf in Wien: "Buben haben häufiger Asthma als Mädchen. Mit der ersten Monatsblutung gleichen sich die Unterschiede zunehmend aus." Asthma wird durch das Östrogen eher gefördert, durch das männliche Geschlechtshormon Testosteron eher gebremst.

Bewiesen ist, dass Frauen am ersten Tag der Regel und um den Eisprung vermehrt Asthmasymptome aufweisen, was wiederum eventuell für eine notwendige Anpassung der Dosierung von Medikamenten sprechen würde. Von Allergien sind in Österreich etwa 25 Prozent der Frauen und 18,9 Prozent der Männer betroffen, von allergischem Asthma 3,9 Prozent der Männer und 4,6 Prozent der Frauen.

Geschlechter-spezifische Therapie gefordert

Laut der Wiener Gendermedizin-Professorin Alexandra Kautzky-Willer (MedUni Wien) gibt es auch Hinweise, dass Mütter bei der COPD genetische Dispositionen eher an ihre Töchter weitergeben, dies könnte auch für Schädigungen durch Rauchen während der Schwangerschaft zutreffen. Was jedenfalls laut der Expertin dringend notwendig wäre: "Wir brauchen Raucherpräventions- und Raucher-Therapiekonzepte, die speziell auf Frauen abgestimmt sind."

Darüber gibt es bekanntermaßen auch Geschlechter-spezifische Unterschiede im Zugang zur medizinischen Versorgung und im Gebrauch von Arzneimitteln. So dürften Frauen mehr Bedenken vor dem wirkungsvollsten entzündungshemmenden Medikament Cortison haben als Männer. Dessen Verwendung als Spray aber ist nach wie vor die wichtigste Behandlungsform bei chronischem Asthma. (APA, 28.3.2012)