Künstlerische Darstellung eines Sonnenunterganges auf der "Supererde" Gliese 667Cc. Auf ihrer Oberfläche herrschen mit großer Wahrscheinlichkeit Bedingungen, die das Vorkommen von flüssigem Wasser ermöglichen.
Illustration: ESO/L. Calçada

Garching - Sie sind die kleinsten aktiven Sterne, aber auch die mit Abstand am häufigsten vorkommenden: Rote Zwerge stellen 70 bis 80 Prozent der Sternenpopulation unserer Milchstraße - gleich unser nächster Nachbar, Proxima Centauri, ist ein Beispiel für diesen Sternentyp. Aufgrund seiner Häufigkeit kommt allen Daten, die über diesen Typ gewonnen werden, besondere Bedeutung zu - das gilt auch für die Suche nach Exoplaneten und eventuell extraterrestrischem Leben.

In den Fokus von Astronomen sind zuletzt sogenannte "Supererden" gerückt, wie das Max-Planck-Institut für Astronomie berichtet: Also Planeten, die eine relativ geringe Masse (also bis zum - je nach Definition - 10-fachen oder 14-fachen der Masse der Erde) haben. Neue Daten des Teleskops "High Accuracy Radial velocity Planet Searcher" (HARPS) der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigen, dass solche Planeten häufig in den habitablen Zonen um Rote Zwerge vorkommen - also in einem Abstand zum Stern, der das Vorhandensein flüssigen Wassers zumindest theoretisch ermöglichen würde. 

Große Zahlen

Ein international besetztes Forscherteam schätzt ihre Anzahl alleine in der Milchstraße auf mehrere zehn Milliarden - einige hundert davon in unmittelbarer Nachbarschaft unserer Sonne. Die Untersuchung ergänzt eine andere, noch nicht lange zurück liegende Veröffentlichung, in der die Zahl von Exoplaneten mit einer völlig anderen Methode abgeschätzt wurde. Damals konnte gezeigt werden, dass es insgesamt in der Milchstraße eine sehr große Zahl von Planeten - unabhängig vom Typ - gibt.

"Unsere neuen Beobachtungen mit HARPS zeigen, dass wohl etwa 40 Prozent aller Roten Zwerge von einer Supererde umkreist werden, die sich in der habitablen Zone des Sterns befindet", so Xavier Bonfils vom IPAG-Observatoire des Sciences de l'Univers de Grenoble, der Leiter der Studie. "Weil Rote Zwerge so häufig sind - in der Milchstraße gibt es etwa 160 Milliarden -, führt uns das zu der erstaunlichen Schlussfolgerung, dass es alleine in unserer Milchstraße mehrere zehn Milliarden solcher Planeten gibt."

Die Ausgangslage

Das HARPS-Team überwachte während einer sechsjährigen Beobachtungsphase 102 sorgfältig ausgewählte Rote Zwerge am Südhimmel. Dabei fanden die Astronomen insgesamt neun Supererden zwischen einer und zehn Erdmassen. Unter diesen Planeten waren auch zwei, die ihre Zentralgestirne - Gliese 581 und Gliese 667 C - innerhalb deren habitabler Zone umkreisen.

Die Forscher berechneten anschließend, wie häufig verschiedene Arten von Exoplaneten bei roten Zwergsternen sind: Dazu kombinierten sie sämtliche Beobachtungen - auch die von Sternen, bei denen keine Planeten gefunden wurden. Weiters prüften sie nach, welcher Anteil der bereits bekannten Exoplaneten mit der neuen Methode hätte gefunden werden können. Das Ergebnis ist: Supererden in der habitablen Zone der Zwergsterne kommen mit einer Häufigkeit von 41 Prozent vor. Massereiche Gasriesen analog zu Jupiter oder Saturn kommen bei Roten Zwergen hingegen nur selten vor: Weniger als 12 Prozent der Roten Zwerge sollen den Abschätzungen des HARPS-Teams nach von solchen Giganten umkreist werden.

Nachschauen in der Nachbarschaft

Da es auch in der Umgebung der Sonne viele Rote Zwerge gibt (neben Proxima Centauri beispielsweise die kaum weiter entfernten Wolf 359 oder Barnards Stern), bedeutet die neue Abschätzung auch, dass es innerhalb von 30 Lichtjahren um das Sonnensystem etwa einhundert Supererden geben sollte, die ihren Zentralstern in der habitablen Zone umlaufen.

Dass man deswegen nicht gleich davon ausgehen darf, dass es in unserer kosmischen Nachbarschaft vor Leben nur so wimmelt, liegt an einem einfachen physikalischen Faktor: "Die habitable Zone eines Roten Zwergs liegt viel näher am Zentralstern als die Bahn der Erde an der Sonne", erklärt Stéphane Udry vom Observatoire de Genève. "Wir wissen aber, dass Rote Zwerge zu Helligkeitsausbrüchen neigen, sogenannten Flares. Diese Flares würden die Planeten einer sehr intensiven Ultraviolett- und Röntgenstrahlung aussetzen. Die Existenz von Leben dürfte unter solchen Umständen sehr unwahrscheinlich sein."

... aber nicht immer ausgeschlossen, wie Udrys Kollege Xavier Delfosse sagt: "Wir müssen sowohl HARPS als auch zukünftige Instrumente einsetzen, um diese Planeten in unserer Nachbarschaft tatsächlich nachzuweisen. Einige dieser Planeten sollten auf ihrer Bahn von der Erde aus gesehen vor ihrem Zentralstern vorüberziehen. Das würde uns die aufregende Gelegenheit geben, die Atmosphäre des jeweiligen Planeten zu untersuchen und nach Spuren von Leben zu fahnden." (red, derStandard.at, 31.3.2012)