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Sabrina Fulton (Mi.) und Tracy Martin (2. v. li.), die Eltern des getöteten Teenagers, bei einer Pressekonferenz.

Foto: EPA/MICHAEL REYNOLDS

Nein, normalerweise trägt Robert Woodbury keinen Hoodie. Normalerweise trägt er ein Sakko, jedenfalls wochentags, wenn er im Kundenraum seiner Bank arbeitet. Aber heute hat er sich einen grauen Kapuzenpulli übergestreift. Und seine Söhne Robbie, Ethan und Jayson, der Jüngste drei, der Älteste sieben, sind genauso gekleidet wie ihr Vater. Und wie Trayvon Martin, der Teenager, der vor einem Monat in Florida erschossen wurde und dessen Tod das Land durchrüttelt.

Vier Hoodies, vier Protestzeichen. Schauplatz ist der breite Bürgersteig vor dem Justizministerium in Washington. Sprechchöre erschallen. "Was wollt ihr?", ruft einer. "Einen Schuldspruch!", antwortet ein vielstimmiger Chor. Zumindest zunächst einmal angeklagt werden soll George Zimmerman, der Anführer einer "Neighborhood Watch", einer jener Bürgerpatrouillen, wie sie überall in den USA die besseren Wohnviertel beschützen.

Was genau geschah am regnerischen Abend des 26. Februar, als Trayvon Martin in Sanford, Florida, von George Zimmerman getötet wurde, ist umstritten, die Zeugenaussagen sind widersprüchlich. Sicher ist, dass Zimmerman dem Teenager folgte, erst im Jeep, dann zu Fuß. Sicher ist auch, dass er die Notrufnummer 911 wählte, Gefahr meldete und etwas von " Arschlöchern" erzählte, die jedes Mal davonkämen. Dabei hatte Martin, bekleidet mit einem Kapuzenpulli, nur kurz die Wohnung seines Vaters verlassen, um sich in einem Laden Bonbons und Eistee zu kaufen. Als ihn Zimmerman verfolgte, war er auf dem Rückweg.

Der Mitschnitt des 911-Dialogs ist veröffentlicht, man kann hören, wie der Mann in der Notrufzentrale dem Freizeitwächter davon abriet, Martin auf den Fersen zu bleiben. Offenbar wusste er, mit wem er es zu tun hatte. Im Laufe des vergangenen Jahres wählte Zimmerman fast 50 Mal die 911, um Alarm zu schlagen, oft falschen Alarm. Manche schildern den Sohn eines Amerikaners und einer Peruanerin als paranoiden Menschen, der überall Gefahren wittert. Im Polizeirevier sagte Zimmerman aus, der Teenager habe ihn angegriffen und nicht umgekehrt. Wie aus dem Nichts sei die Gestalt im Pulli hinter ihm aufgetaucht, habe ihm nach kurzem Wortwechsel einen Fausthieb versetzt und seinen Kopf mehrfach aufs Pflaster geschlagen, als er am Boden lag. In höchster Not habe er dann geschossen.

Nicht nur Trayvons Footballtrainer, der einen fröhlichen Jungen kannte, der nie aggressiv wurde, zweifelt an der Darstellung. Zimmerman, 28 Jahre alt, ist um 40 Kilo schwerer, als Martin es war. Auch wenn ihn der 17-Jährige um ein paar Zentimeter überragte, bleiben Zweifel an seiner Version, wonach er bei dem Gerangel der Unterlegene war. "Zimmerman lebt und kann behaupten, was er will. Trayvon kann nur noch schweigen", lautet der bittere Kommentar Benjamin Crumps, des Anwalts der Familie Martin.

"Die alten Dämonen"

Doch es geht längst nicht mehr nur um den Tathergang bei der Protestwelle, die immer heftiger durch Amerika rollt. Es geht um etwas, was Joe Mitchell die alten Dämonen nennt. Auch Mitchell, ein Busfahrer in den Fünfzigern, hat sich vor dem Justizressort eingefunden, in den Händen ein Poster, auf dem "I am Trayvon" steht. Wie die Polizisten der Stadt Sanford den Fall behandelten, das ist für ihn der wahre Skandal. Offenbar ließen sie Zimmerman laufen, ohne seine Geschichte zu prüfen, und das bei einem Toten. Der Schütze, so sieht es Mitchell, war ja gewissermaßen einer von ihnen. "Da sind sie wieder, die alten Dämonen", sagt er und spricht von der Sklaverei: "Da war es legal, Menschen zu töten, nur weil sie schwarze Haut hatten."

Allerdings bestreitet die Polizei, untätig geblieben zu sein. Man habe den Fall sehr wohl als mögliches Tötungsdelikt behandelt, allerdings habe die Staatsanwaltschaft eine Verhaftung verweigert, berichtet der Miami Herald. Am 10. April soll über eine Anklage entschieden werden. Nach Trayvons Tod scheint sich Frust zu entladen, der sich lange angestaut hat, aber eine Zeit lang von der Euphorie nach der Wahl Barack Obamas überlagert wurde. Die meisten Afroamerikaner sind nicht sicher, wie tiefgreifend sich ihr Land gewandelt hat.

Nach einer Umfrage des Pew-Instituts halten mehr als 80 Prozent weitere Veränderungen für nötig, damit sie wirklich gleichberechtigt sind. Al Sharpton, der wortgewaltige Prediger aus New York, vergleicht Sanford bereits mit dem Birmingham der 50er- und 60er-Jahre, als der Ku-Klux-Klan die schwarzen Bewohner der Metropole Alabamas durch Bombenterror einzuschüchtern versuchte. Unterdessen drängen demokratische Kongressabgeordnete darauf, ein Gesetz zu kassieren, das dem Waffenwahn nur Vorschub leistet: "Stand Your Ground" ("Weiche nicht zurück") - 2005 von Florida als erstem Bundesstaat eingeführt, worauf 23 weitere Staaten folgten. Demnach haben bewaffnete Bürger das Recht, sich auch außerhalb der eigenen vier Wände mit Gewehr oder Revolver zur Wehr zu setzen, falls sie sich bedroht fühlen.

Schon als das Parlament Floridas über die Novelle debattierte, warnte ein ehemaliger Polizeichef Miamis vor den Folgen. Zweifelhafte Bürgerwehren, Freizeitpolizisten ohne Ausbildung, könnten das Recht nach Wildwestmanier in die eigenen Hände nehmen, orakelte John F. Timoney. In der New York Times formulierte er es dieser Tage noch deutlicher: "Das Gesetz ist eine Anleitung für ein Desaster."  (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 28.3.2012)