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Eine Demo für die allgemeine Krankenversicherung vor dem Supreme Court in Washington.

Foto: AP/dapd/Charles Dharapak

Im Supreme Court lässt die Verhandlung an ein Kreuzverhör denken. Nur dass es zwei hochkarätige Anwälte sind, die gleichsam im Zeugenstand stehen: Obamas Rechtsberater Donald Verrilli für die Regierung, George W. Bushs einstiger Chefjurist Paul Clement für die 26 Bundesstaaten, die gegen Obamas Gesundheitsreformpaket klagen. Neun Richter in schwarzen Roben stellen ihnen abwechselnd bohrende Fragen.

Obwohl das Urteil erst im Juni gefällt werden soll, lässt sich eines schon jetzt in aller Deutlichkeit erkennen. Die Gesundheitsnovelle spaltet nicht nur das Land, ziemlich genau in der Mitte, sie spaltet auch das Gericht. Am Ende dürfte es darum gehen, ob die Neunerrunde das Gesetz mit fünf zu vier Stimmen für verfassungskonform erklärt oder mit ebenso knapper Mehrheit für verfassungswidrig.

Im Kern geht es um die Frage, ob der Staat seine Bürger zwingen darf, ein bestimmtes Produkt zu erwerben, in diesem Fall eine Krankenversicherung. Wer dies bejahe, meint Antonin Scalia, einer der konservativsten Richter, begebe sich auf eine schiefe Bahn: "Dann können Sie die Leute irgendwann auch dazu zwingen, dass sie Brokkoli kaufen." Die US-Föderation, betont seinerseits der Anwalt Clement, habe zwar das Recht, bereits bestehende Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Bundesstaaten zu regeln. Sie dürfe ihre Bewohner aber nicht verpflichten, eine neue Geschäftsbeziehung einzugehen, etwa dann, wenn sich Nichtversicherte eine Police zulegen sollen.

Ruth Bader Ginsburg wiederum, die vielleicht profilierteste Stimme der Pro-Reform-Fraktion des Gerichts, spricht von grauer Theorie, die auf Kriegsfuß mit der Praxis stehe. In Wahrheit sei jeder ein Kunde des Gesundheitssystems. Auch wer sich nicht abgesichert habe, nehme die Dienste der Kliniken in Anspruch, etwa in der Notaufnahme, wo bekanntlich kein Patient abgewiesen werde. "Der Punkt ist, dass ich die Kosten auf andere abwälze, wenn ich dieses Produkt (eine Krankenversicherung, Anm.) nicht früher oder später erwerbe." Ja, aber nach derselben Logik müsste man auch eine Versicherung für Beerdigungen vorschreiben, kontert Samuel Alito, einst von George W. Bush für den Supreme Court nominiert. Jeder sterbe irgendwann, "und wenn Sie nicht genug Geld gespart haben, dann wälzen Sie die Begräbniskosten auf andere ab". (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, 29.3.2012)