Ein Knochen der vermutlich neuen Vormenschenart in der Hand einer Vertreterin von Homo sapiens. Eingepasst in einen Gorillafuß (unten) zeigen sich erstaunliche Übereinstimmungen.

Foto: Yohannes Haile-Selassie
Foto: Yohannes Haile-Selassie

London/Wien - Ein wichtiges anatomisches Merkmal, das uns Menschen von unseren nächsten lebenden Verwandten unterscheidet, sind unsere Füße: Anders als bei den Menschenaffen ist unsere große Zehe so ausgerichtet wie die kleineren Zehen. Zudem haben wir eine stabile Ferse und ein besonderes Fußgewölbe, die uns beim aufrechten Gehen helfen.

Viele Charakteristika solcher Füße fanden Forscher bereits in den Fußknochen der Vormenschen-Gattung Australopithecus, der unter anderem " Lucy" angehörte. Diese Homininen lebten vor 4,4 Millionen Jahren bis etwa 1,3 Millionen Jahren in Afrika und gingen nach ebenfalls längst aufrecht. Entsprechend nehmen Forscher an, dass die Füße der späteren Gattung Homo, der wir angehören, eine Weiterentwicklung dieser Fußform darstellen.

Als man 2009 den 4,4 Millionen Jahre alten Ardipithecus ramidus entdeckte, verkomplizierte sich unsere bipedale Abstammungsgeschichte ein wenig. Denn "Ardis" Fuß wies noch zahlreiche Ähnlichkeiten mit jenen von Schimpansen auf, deren Entwicklungslinie sich vor 6 Millionen Jahren von der unseren trennte. Entsprechend nahm man an, dass "Ardi" wohl eine Art Mittelding aus Vormensch und Menschenaffe war.

Acht fossilisierte Fußknochen, die im Fachblatt "Nature" (Bd. 483, S. 565) von Yohannes Haile-Selassie und Kollegen beschrieben werden, machen die Evolution unseres Gangs oder besser: den Gang unserer Evolution nun noch einmal um einiges verwirrender. Die in der Afar-Region in Äthiopien gefundenen Knochen sind nämlich "nur" 3,4 Millionen Jahre alt, doch sie entsprechen sehr viel eher den Füßen von "Ardi" als jenen der Australopithecus-Frau Lucy, die eine Zeitgenossin des Fußbesitzers war.

Aus den acht Knochen lässt sich zwar schließen, dass es bereits einige Anpassungen für den aufrechten Gang gab. So konnten die Zehen vermutlich überstreckt werden, um den Fuß am Ende eines Schrittes vom Boden abzustoßen. Doch andere Charakteristika des nach seinem Fundort benannten Burtele-Fußes - wie etwa die abgespreizte große Zehe - weisen darauf hin, dass sein Besitzer auch noch ziemlich flott in Bäumen herumgeturnt haben dürfte.

Das Team von Paläontologen aus den USA und Äthiopien folgert daher, dass Lucy und ihre Australopithecinen nicht die einzige Vormenschenart in Ostafrika war, sondern dass es zumindest noch eine andere gab, die sich auf Bäumen wohler fühlte. (tasch/DER STANDARD, 29. 3. 2012)