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In Rechenzentren ist Linux heute nicht mehr wegzudenken.

Foto: AP Photo/Thomas Kienzle

Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, warum Linux-Fähigkeiten und Erfahrungen in der Unternehmenswelt derzeit so gefragt sind. In der Öffentlichkeit taucht das System meist nur als Grundlage für Android-Smartphones, Chrome OS, Ubuntu oder andere Systeme auf. In anderen IT-Bereichen hat Linux aber - relativ unbemerkt - viel größere Verbreitung gefunden. Derzeit sind IT-Fachleute mit Linux-Kenntnissen sehr gefragt; Bedeutung und Verbreitung des Open-Source-Systems werden in nächster Zeit noch zunehmen.

Linux-Alltag in den Rechenzentren

Während viele Projekte auf Anwenderebene eher weniger erfolgversprechend laufen - nicht zuletzt auch das Wiener Linux-Experiment "Wienux" - ist Linux in Server- und Rechenzentren bereits zum Alltag geworden. "Dort erbringen nämlich vornehmlich Linux-Systeme die Arbeit von Firewalls, Applikationsservern mit Java-Applikationen und Virtualisierungsumgebungen", sagt Nils Magnus vom LinuxTag, eine große europaweite Linux-Konferenz und Messe. "Der Einsatz von Linux in diesem Umfeld ist für Unternehmen sehr lohnend, weil das Betriebssystem hochgradig flexibel und skalierbar ist", so Magnus weiter.

Damit hat sich Linux einen festen Platz im IT-Rückgrat vieler Unternehmen gesichert - was wiederum die große Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften erklärt. Der gerade erschiene Bericht "2012 Linux Jobs Report", den die Linux Foundation und die Internet-Jobplattform Dice erstellt haben, zeichnet ein deutliches Bild dieser Entwicklung. Von den über 2.000 befragten Personalchefs sagt knapp ein Drittel, dass Linux zum Kern ihres Unternehmens geworden ist. Das Wachstum der Unternehmen führe auch zu einer erhöhten Nachfrage nach Linux-Fachkräften. Fast die Hälft der Befragten gibt an, dass die Linux-Verwendung in den nächsten Jahren zunehmen und damit auch der Bedarf nach entsprechendem Fachpersonal weiter steigen wird.

Laut dieses Berichtes hat für mehr als 80 Prozent der Personalchefs das Finden und Einstellen von Linux-erfahrenen Mitarbeitern hohe Priorität. Kenntnisse und Fähigkeiten des Open-Source-Systems spielen eine sehr große Rolle in der Auswahl der Bewerber. Linux-Experten sind aber Mangelware und meist zu überdurchschnittlich besseren Bedingungen beschäftigt als vergleichbares IT-Personal ohne Linux-Kenntnisse.

Fachkräfte sind Mangelware

Der Fachverband Unternehmensberatung und IT in der WKO (UBIT) sieht für Österreich in den kommenden Jahren einen erheblichen Fachkräftemangel auf den IT-Bereich generell zukommen. "Viele IT-Experten werden bis 2020 pensioniert und es folgen zu wenige junge Berufseinsteiger nach", sagt Wilfried Seyruck, Berufsgruppensprecher IT der UBIT. Er verweist auf eine aktuelle Studie, der zufolge in den nächsten zwei Jahren mehr als 3.200 Fachkräfte gebraucht werden. Seyrucks Ansicht nach würden, was das Thema Linux betrifft, viele Ausbildungseinrichtungen den Fokus hauptsächlich auf andere Betriebssysteme und Spezialisierungen legen.

Auch für IT-Profis anderer Systeme ist es aber durchaus hilfreich, sich zusätzliche Linux-Kenntnisse anzueignen. Die Welt der Server und Anwenderrechner wird zunehmend gemischt und bleibt nicht auf Apple oder Microsoft allein beschränkt. Nicht zuletzt bietet sich das Open-Source-System auch dazu hervorragend an, die Funktionalität eines Betriebssystems und damit die Arbeitsweise eines Computers besser zu verstehen.

Erweiterte Zertifizierungsmöglichkeiten

Zu den bestehenden Zertifikaten, mit denen man Linux-Kenntnisse und Fähigkeiten dokumentieren kann, kommt im Juni ein neues Basis-Zertifikat hinzu. Bislang waren die weltweit anerkannten Zertifizierungen des Linux Professional Institutes (LPI) eher auf Systemadministratoren und Entwickler ausgerichtet - beispielsweise die Junior- bis Senior-Zertifizierungen LPIC1-3. Anders als die Zertifizierungen für RedHat sind diese Zertifizierungen Distributions-übergreifend.

Mit dem Linux Essentials Technician-Zertifikat (LPI LET) wird es ab Juni dieses Jahres ein neues Grundlagenzertifikat für Linux geben. Der Kursinhalt reicht von grundsätzlichen Themen der Open-Source-Architektur, über Basis-Hardwarekenntnisse bis hin zur einfachen Anwendung des Befehlszeilen-Editors und Umgang mit Dateien. Das Zertifikat richtet sich vor allem an junge IT-Einsteiger, denen von Anfang an der Umgang mit Linux zur Gewohnheit werden soll. Das WIFI in Wien bietet vom Herbst an Kurse für diese neue Zertifizierung an.

Durchs Reden kommen d'Leut zam - und gemeinsam weiter

Ebenso wichtig wie ein Zertifikat ist für Amanda McPherson, Vize-Präsidentin für Marketing und Developer Services der Linux Foundation, die Teilnahme an Tagungen und Treffen. Die Linux Foundation veranstaltet neben der LinuxCon Nordamerika auch die LinuxCon Europa auf der sich Systemadministratoren ebenso treffen wie Entwickler und IT-Manager. "Diese Veranstaltungen bieten die einzigartige Möglichkeit, gleichermaßen in die Welt der Linux-Kernel-Gemeinschaft sowie der Personalchefs einzutauchen", sagt McPherson.

Die Möglichkeiten dieser Tagungen sind für Nils Magnus vom LinuxTag natürlich ebenfalls sehr wichtig. Zusätzlich empfiehlt er den IT-Fachkräfte in der Ausbildung, sich von eigenen Interessen leiten zu lassen: "Mit Themen, die Bewerber verstehen, punkten sie viel eher als mit Auswendiggelerntem, das ein Trendbarometer orakelt". Wichtig sei das Verständnis für Open Source und die dahinterliegenden Technologien; "damit dürfte man auf absehbare Zeit gute Jobchancen haben", sagt Magnus. (Markus Drenckhan, derStandard.at, 29.03.2012)