Die Kollektivvertrags-Querelen könnten AUA-Flugzeuge bald zum Stehen verdonnern. Kommt der zwangsweise Umstieg auf den günstigeren Tyrolean-KV, könnten AUA-Piloten scharenweise kündigen. Das glaubt zumindest der AUA-Bord-Betriebsrats-Vorsitzende Karl Minhard.
Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Wolfgang Widmann und der Betriebsrätin und Flugbegleiterin Andrea Lichal luden die drei am Freitag zur Pressekonferenz in Uniform, weil sie "stolz sind, bei der AUA zu arbeiten". Der Weiterbestand des Unternehmens sei ihnen ein Anliegen. Dass die AUA aber allein über die Senkung der Personalkosten sanierbar ist, hält Minhard für "kompletten Humbug". Die Piloten-Gehälter seien jedenfalls nicht schuld an den schlechten AUA-Zahlen. Es gebe kein tragfähiges Konzept zur Sanierung der Airline. Der jetzige Kurs des Vorstands sei "absolut untauglich" und führe letztlich zu einem Bauchfleck.
Austrittswelle
Am Samstag endet ein Ultimatum des Aufsichtsrats zur Streitbeilegung, am Donnerstag nächster Woche steht eine Aufsichtsratssitzung an. Wird hier der Betriebsübergang auf den für die AUA billigeren Tyrolean-Kollektivvertrag beschlossen, befürchtet Minhard eine Austrittswelle von Piloten. Diese könnten dann nämlich eine Art Sonderkündigungsrecht mit vollen Abfertigungen in Anspruch nehmen. Das alles innerhalb eines Monats ab Feststellung der Verschlechterung durch einen erzwungenen Übergang auf den Tyrolean-KV.
Minhard rechnet dann mit 200 bis 300 Austritten ab Mai. Das würde die AUA vor massive Schwierigkeiten stellen. "Das heißt, die AUA steht am Boden. Das ist fast wie ein Konkurs", warnte Minhard. Schon jetzt hätten rund 60 Piloten um ihre Abfertigung angesucht. Nur sechs, davon vier krankheitsbedingt, wurde das gewährt. Dann habe das Management die Verfahren bei den übrigen gestoppt.
Konzern erwägt fremde Piloten zu leasen
Bei der AUA dürfte man bereits einem Massen-Abgang von Piloten vorbauen. Das Management plant laut Bord-Betriebsratschef Minhard Leasing-Piloten einzusetzen, um dem im Sommer drohenden "Riesenproblem" Herr zu werden. Die AUA schrieb in einem internen Papier, sie gedenke, Piloten "hereinzuleasen". Minhard warnte heute: Das könnte zu Meuterei führen.
AUA-Sprecher Michael Braun bestätigte, der Einsatz von Leasing-Piloten sei denkbar. "Doch nur wenn es zwingend und dringend notwendig würde, wenn alle Stricke reißen". Die AUA wolle ja mit den Mitarbeitern in Zukunft arbeiten. "Wenn sie jetzt sagen, sie möchten uns verlassen, ist das schade, aber natürlich eine individuelle Entscheidung". Einen Pilotenmangel gebe es derzeit jedenfalls nicht. Es gebe im Konzern sogar wieder einen Überhang, etwa durch 50 Tyrolean-Teilzeitpiloten. Zudem gebe die AUA gerade elf Flugzeuge ab und bekomme weniger (sieben) herein, und außerdem seien einige nicht im Flugbetrieb, weil auf Umschulung von Boeing auf Airbus.
Der AUA-Konzern beschäftigt zur Zeit mehr als tausend Piloten, unter ihnen knapp 350 nach dem teuren AUA-KV alt und 440 nach dem billigsten KV, dem der Regionaltochter Tyrolean. Aus Arbeitgebersicht schaut der Markt für Piloten in Europa derzeit aber ohnedies ganz gut aus, weil einige Airlines den Betrieb einstellten und viele Piloten mit aufrechten Lizenzen zurückließen. AUA-Kreisen zufolge könnten freilich auch Piloten von der Mutter Lufthansa aushelfen. Aktuell sieht es nach Informationen der Austria Presseagenturso aus, dass am kommenden Donnerstag im Aufsichtsrat kein Beschluss auf Betriebsübergang fällt.
Klagen
Minhard kündigt für den Fall des Betriebsübergangs-Beschlusses jedenfalls auch Feststellungsklagen an. Klagen würde der Betriebsrat in enger Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Vida einbringen, so Minhard. Details wollte er vorläufig nicht nennen, aber er kann sich vorstellen, dass die Causa wahrscheinlich über den Instanzenzug über die nationalen Gerichte hinaus bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht. Er verwies auf bisherige EuGH-Judikatur und europäische Richtlinien, wonach ein Betriebsübergang (in dem Fall in Österreich das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, AVRAG) dazu da sei, Mitarbeiter zu schützen, und nicht missbraucht werden dürfe, um schlechtere Bezahlungen zu erzwingen.
Crashkurs beenden
Minhard appelliert ans Management, dem derzeitigen Crashkurs Einhalt zu gebieten. Der Betriebsrat habe dem AUA-Vorstand ein 47 Millionen Euro schweres Einsparungspaket vorgelegt, 14 Millionen davon wären jährliche Kostenersparnisse, 33 Millionen ein Einmaleffekt. In dem Paket enthalten seien zweijährliche statt jährliche Lohnsprünge, höhere Überstundengrenzen, mehr Flexibilität bei den freien Tagen, reduzierte Freizeit nach Langstreckenflügen, Erhöhung der Flugstunden, Erhöhung des Pensionsalters. Allein, dem Vorstand reiche das alles immer noch nicht. Laut Minhard verdoppelt die Chefetage ihre Forderungen ständig. Überhaupt funktioniere die Kommunikation mit dem Vorstand nur mäßig.
In puncto gemeinsamer Konzern-KV für AUA und Tyrolean konnte Minhard nicht viel sagen. Es gebe Sondierungsgespräche mit dem Betriebsrat der Tyrolean, man sei verhandlungsbereit. Dazu brauche man aber auch einen Partner im Vorstand. Seit vergangenem Donnerstag herrsche hier allerdings Funkstille. Von Kampfmaßnahmen sieht der Betriebsrat weiter ab. (rom/APA, derStandard.at, 30.3.2012)