Bild nicht mehr verfügbar.

Große Teller laden dazu ein, sich mit einer größeren Ration einzudecken.

Abnehmen fällt schwer. Von "Schlankmacherpillen" über diverse Diätprogramme bis hin zu kalorienarmer Kost tummeln sich auf dem Markt schier unüberschaubare Mengen an Produkten, die eine Topfigur versprechen. Allein, das Patentrezept zur Gewichtsreduktion hat die Forschung noch nicht gefunden.

Amerikanische Ernährungswissenschafter warten nun mit einem banalen und ebenso verblüffenden Befund auf. In ihrer Studie, die im Fachblatt Journal of Consumer Research erschienen ist, zeigen die Koautoren Koert van Ittersum vom Georgia Institute of Technology und Brian Wansink von der Cornell University auf, dass die Größe des Tellers und die Farbe des Tischtuchs bei den insgesamt 225 Probanden einen signifikanten Einfluss auf die verzehrten Portionen hatte.

Optische Täuschung

Die Arbeiten beruhen auf der Annahme, dass die Delboeuf-Täuschung unsere Essgewohnheiten beeinflusst. Diese Illusion, benannt nach dem Schweizer Mathematiker und Psychologen Joseph Delboeuf, korrespondiert mit einer optischen Täuschung zweier konzentrischer Kreise. Der innere Zirkel schaut nach unserer Wahrnehmung kleiner aus, wenn er von einem weitaus größeren Kreis umgeben wird. Dagegen wirkt der innere Kreis größer, wenn er von einem minimal größeren Kreis umschlossen wird. So weit die Theorie.

Die Wissenschafter behaupten nun, dass es sich bei einem runden Teller genauso verhält. "Wenn die Leute sich etwas auf den Teller laden, visieren sie dessen Größe an", konstatiert Koert van Ittersum. "Aufgrund der optischen Täuschung nimmt sich die Portion kleiner aus, als sie in Wirklichkeit ist. Folglich häufen die Leute mehr auf, um das zu bekommen, was sie durch ihre Perzeption als Zielgröße festmachten."

Große Teller, große Rationen

Große Teller laden also dazu ein, sich mit einer größeren Ration einzudecken. Die Forscher konnten in ihrem Experiment nachweisen, dass große Teller die Essquantität um neun bis 31 Prozent erhöhen. Ein banaler Befund, der aber empirisch evident ist. Die Tellergröße in den USA hat seit 1900 um 23 Prozent zugenommen. Die fetten Jahre des Aufschwungs schlugen sich in der Esskultur nieder. Und damit auch in der Figur. Heute gelten zwei von drei Amerikanern als übergewichtig. Die Betroffenen leiden unter Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen.

Starke Kontraste

Freilich kann Adipositas nicht allein auf die Tellergröße zurückgeführt werden. Neben sozio-kulturellen Faktoren wie Frust oder Langeweile spielen auch genetische Faktoren eine gewichtige Rolle. Doch offensichtlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Geschirr und Gewicht - und damit eine rein visuelle Ursache.

Das eigentlich überraschende Ergebnis der Studie ist, dass das " Kontrastniveau" zwischen Teller und Tischdecke das Essverhalten determiniert. "Wenn der Farbunterschied zwischen Gericht und Teller gering ist, zum Beispiel bei Tomatensauce und rotem Teller, verstärkt sich die Delboeuf-Illusion", erklärt van Ittersen. "Das Gehirn muss sich mehr anstrengen, um herauszufinden, wie viel wir uns aufgetischt haben." Und das heißt: Eine höhere Konzentration geht einher mit weniger Kontrolle über die Portionen.

Wenig Kontrast zwischen Teller und Tischdecke

Auch im Kontrastübergang vom Teller zur Tischdecke manifestiert sich die Täuschung. Wenn wir vor einem gleichfarbigen Tisch und Teller sitzen, verändert sich auch unsere Nahrungsaufnahme. Der Forscher empfiehlt, den Kontrast zwischen Teller und Tischdecke zu minimieren. "Wenn dieser Farbgegensatz gering ist, wird der Effekt des äußeren Zirkels und damit die Delboeuf-Täuschung eliminiert", erklärt er. Vor dem Hintergrund, dass Nahrungsmittel mit Farbstoffen versehen sind, empfiehlt van Itteresen, kleine und bunte Teller zu verwenden. Mit dem Kniff könne man, so der Forscher, den Konsum um bis zu 21 Prozent reduzieren. Ob man das Hungergefühl damit überlisten kann, bleibt offen. Sicher ist: Das Auge (m)isst mit. (Adrian Lobe, DER STANDARD, 2.4.2012)