Es scheint Menschen zu geben, die Selbstwert nicht mit ihren Qualitäten definieren, sondern mit Abwertung des Gegenübers. "Wos woa mei Leistung?" ist schon eine höhere Stufe der geistigen Entwicklung. Immerhin geht Meischberger von einer fiktiven Leistung aus, die Ausgrenzer aber von der eigenen Unfähigkeit. Wenn man zu zweit bis zum Hals im Dreck steckt und den anderen kopfüber eintunkt, hat man - relativ betrachtet - den besseren Stand und somit in den eigenen Augen ein gewisses Niveau gehalten.

"Migrationshintergrund" wird gerne dort eingesetzt, wo man nimmer Tschusch sagen darf. Gemeint: mittellose, bildungsferne Zuwanderer. Der beschriebene Zustand soll einbetoniert werden, in Stein gemeißelt, ja nicht verändert. Die russische Opernsängerin, der wohlhabende Inder, die Schriftsteller aus England - das sind doch keine Menschen mit Migrationshintergund!

Emily Waltons Buch "Mein Leben ist ein Senfglas" beleuchtet den Schwebezustand zwischen nichthiesig, aber herkunftskompatibel und der ganz üblen Sorte. "Die faulen Türken", flog mir bei der letzten Pressekonferenz von SOS-Mitmensch um die Ohren. Die beliebte Behauptung, jeder Zuwanderer würde die gleichen Job- und Bildungschancen vorfinden und sei allein für seinen Erfolg verantwortlich zu machen, wird von Bachinger und Schenk im Buch "Die Integrationslüge" widerlegt.

"Die Türken sind aber so. So ist das Leben" , hielt die ältere Dame unbeirrt fest. Und erst die Neger. "Man sagt nicht Neger." - "Die vergewaltigen und stehlen. Das ist Tatsache", sagte ein anderer. Aber er kenne sogar einen Neger, der über Negerwitze lache. Jaja, der Hausneger und der Hausjud, die ewigen Hausfreunde der ganz neuen Juden, also der alten Nazis. Nur zu viele sollten es auch nicht sein.

Die FPÖ in Favoriten lässt derzeit Suggestivfragebögen verteilen, um den Bau eines Flüchtlingsheimes zu verunmöglichen. "Wovor haben Sie Angst?", steht da, daneben Vorschläge, u. a.: "Schmutz", "Einbrüche". Neben Alter und Adresse sind "Vorfälle mit Asylanten" gefragt. Man möge diese Vorfälle am Stammtisch erzählen. Wunderbar wäre es, wenn dieser Stammtisch viele Besucher fände, die von schönen Dingen berichten!

In Österreich kamen im Jahr 2011 laut UNHCR acht Asylsuchende auf 1000 Einwohner. Da frage auch ich: "Wovor haben sie Angst?", und bin gleichzeitig zurückgeworfen auf die Erfahrung, dass jedes Benennen der Fakten nichts nützt, wenn das Gegenüber Schotten dicht macht und dann volle Kraft voraus mit Brett vorm Kopf. Es geht wie immer nur um das eine: das Festigen des WIR durch das Abwerten von DENEN. Ich schließe mit Sartre: Die Tschuschen, das sind immer die anderen.  (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 31.3./1.4.2012)