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Innenminister Ernst Strasser.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader
Montag, kurz nach Mitternacht in der Weintraubengasse in Wien-Landstraße: mit einem kurzen Spaziergang will Djokica M. (39) das Wochenende ausklingen lassen. Da spürt er irgendetwas an seiner Gesäßtasche. Will da etwa jemand an seine Geldbörse? Tatsächlich, als er sich umdreht, laufen zwei Frauen weg. Doch er ist schneller. Seine 390 Euro werden gerettet, die beiden Diebinnen eingesperrt. Laut Polizei handelt sich um zwei Bulgarinnen, 18 und 20 Jahre alt. Sie waren auf Diebestour in Wien, eingemietet in einem Hotel.

Fälle wie dieser sollen dafür verantwortlich sein, dass Innenminister Ernst Strasser (VP) am Montag die schlechteste Kriminalbilanz seit Jahren präsentieren musste. 591.584 gerichtlich strafbare Handlungen wurden 2002 in Österreich registriert, um 13,2 Prozent mehr als 2001. "Unser Problem heißt Massendelikte", sagte Strasser. Und hier vor allem strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen mit 91.159 ermittelten Tatverdächtigen.

Im Detail heißt das:

  • Diebstahl: plus 22 Prozent auf 189.269 Fälle, nur jeder sechste konnte aufgeklärt werden;
  • Raub: plus 35, 7 Prozent (2161 Fälle), Aufklärungsquote: 27 Prozent;
  • Schwerer Raub: plus 29 Prozent (966 Fälle), ein Drittel aufgeklärt;
  • Betrug: plus 35 Prozent (22.874 Fälle), fast neun von zehn aufgeklärt.

Die Aufklärungsquote ist generell mit 40,8 Prozent kaum merklich zurückgegangen, in absoluten Zahlen konnten so im Vorjahr um 23.000 Vergehen und Verbrechen mehr aufgeklärt als im Jahr davor.

Erik Buxbaum, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, führt die Zunahme von Massendelikten auf "sehr schnell durchreisende Tätergruppen aus dem Ausland" zurück. Der Anteil von "fremden Tatverdächtigen" ist um 7,4 Prozent auf 51.448 Personen gestiegen. Beliebteste Tatorte: öffentliche Verkehrsmittel und Parkplätze. Ein "Patentrezept" gegen dieses Phänomen gebe es nicht, so Buxbaum.

SP-Sicherheitssprecher: "Debakel für den Innenminister"

SP-Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni bezeichnete den neuen Kriminalitätsbericht als "Debakel für den Innenminister". Vor allem in Wien, wo sich die Tätigkeit von Taschelziehern um satte 142 Prozent vermehrte, räche sich, dass durch Strassers so genannte Reformen die Prävention nicht mehr gegeben sei und die Täter offensichtlich immer ungenierter vorgehen könnten.

Auch der freiheitliche Abgeordnete Eduard Mainoni, Mitglied des Innenausschusses, sprach von einer "mehr als besorgniserregenden Entwicklung". Ein Zuwachs von 13,2 Prozent müsse bei allen Verantwortlichen die Alarmglocken schrill läuten lassen. Mainoni: "Es ist zwar schön, dass Österreich unter 49 Industrienationen zum sichersten Land erklärt worden ist, für die Opfer von Verbrechen ändert das aber leider gar nichts".

Strasser konterte mit Personalzahlen: er habe allein in Wien mit seiner Reform 320 mehr Beamte in den Außendienst gebracht. Einem seiner Schwerpunkte gegen den illegalen Suchtgifthandel sei es zu verdanken, dass heuer bis Ende Mai bereits 261 Dealer mehr verhaftet worden seien, als im gesamten Vorjahr. Strasser: "Wir lassen uns Österreich nicht unsicher reden."

"Europameister"

Kripochef Herwig Haidinger verwies darauf, dass in machen Sparten die Zahl von Anzeigen gesunken seien. So zum Beispiel um zehn Prozent bei Kfz-Diebstählen. "Da sind wir mittlerweile fast Europameister", so Haidinger. Auch im Rahmen der Jugendkriminalität weise die Statistik einen Rückgang um 1,5 Prozent auf.

Doch insgesamt überwiegen Bad News: Auszug aus der Sparte Leib und Leben: 168 Morde (2001: 150), 28.174 Körperverletzungen (26.636), 10.910 fahrlässige Körperverletzungen (9909). Auch Anzeigen wegen Vergewaltigung nahmen um knapp neun Prozent auf 625 Fälle zu. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2003)