Abstimmung am Parteitag der Piraten.

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Wien - Seit die Deutschen Piraten von Wahlsieg zu Wahlsieg schippern, wird auch ihren österreichischen Kameraden Aufmerksamkeit zuteil. Wohl erstmals von so starkem Medienaufmarsch begleitet trat man am Sonntag an, um bei einer Bundesgeneralversammlung inhaltlich und personell die Weichen für die Zukunft zu stellen. Das Ergebnis: einen Bundessprecher gibt es nunmehr nicht einmal mehr am Papier, und die Programmdebatte wurde aus Zeitgründen um ein paar Monate nach hinten verschoben.

Es war eine ungewöhnliche Gruppe, die sich am 1. April in einem Veranstaltungslokal in einem Ottakringer Hinterhof versammelt hatte. Von einem klassischen Parteitag ist man bei den Piraten ein Stück entfernt, eher erinnerte das Auditorium an einen "Trekkie-Konvent", bei dem die Kostüme vergessen wurden. Immerhin, Sylvester "Hellboy" Heller, einer der Platzhirsche an Bord, hatte sich mit einem Totenkopf-Amulett geschmückt, den Piraten heraushängen lassen quasi.

Der "Hellboy" ist freilich nicht der einzige, der in der Piratenwelt einen Platz an der Sonne haben möchte. Da gibt es etwa noch Tom "mitom2" Krumpschmid. Der gelernte Kfz-Mechaniker will den Hellboy aus der Partei schmeißen lassen, weil ihm die Ausdrucksweise des Mit-Piraten nicht passt. Allerdings dürfte sein Antrag dazu aus Formalgründen gar nicht zugelassen werden. Macht auch nix, sagt Krumpschmid zur APA. Eigentlich wollte er ohnehin nur einen symbolischen Akt setzen, damit sich der "Hellboy" künftig besser "im Netz benimmt".

Personen statt Inhalte

Der dritte im Bunde der Auffälligen heißt Toni "Harmonizer" Straka und war jahrelang Journalist bei der renommierten Nachrichtenagentur Reuters. Der im gelben Teppichmuster-Pulli Erschienene ist so etwas wie das wirtschaftliche Piratenhirn und hätte am Sonntag lieber ein wenig mehr über Inhalte als über Personen gesprochen. Damit bleibt er zwar nicht alleine, aber in der Minderheit. Denn die Delegierten entscheiden, dass die Programmdebatte von der Tagesordnung genommen und bei der nächsten Generalversammlung geführt wird, zu viel Zeit hat man am Beginn schon verplempert, Passwort beim Akkreditierungscomputer vergessen etc.

Der nächste Wahlerfolg für den "Hellboy" folgt auf dem Fuß. Sein Wunsch, den Posten des Bundessprechers zu streichen und grundsätzlich nur mehr im Vorstandskollektiv zu sprechen, wird mit überwältigender Mehrheit angenommen. Freilich: den Bundessprecher gab es schon bisher nur am Papier. Hätte übrigens die Mehrheit der Delegierten doch gerne einen Sprecher gehabt, hätte sich der "Hellboy" als Kandidat schon geopfert, der "Harmonizer" und "mitom2" ebenso.

Dass überhaupt abgestimmt werden konnte, war letztlich eine knappe Sache. Immerhin hätten eigentlich zehn Prozent der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sein müssen, was mit 51 von 794 deutlich verfehlt wurde. Aber die Piraten haben vorgesorgt. Sind eine Stunde nach Beginn der Versammlung fünf Prozent Mitglieder da, kann es auch losgehen. Das ging sich aus.

Wenige Frauen

Viele Sachen sind auffällig bei einem Piraten-Parteitag, am Auffälligsten vielleicht aber, dass das Publikum bei einem Parteitag der "Männerpartei" auch nicht anders aussehen würde. Journalistinnen abgezogen fanden sich zwischen drei und vier Frauen in dem mit rund 100 Personen vollgestopften Tagungsraum. Während einzelne Delegierte im Gespräch mit der APA stärkere Bemühungen um weiblichen Zuwachs ankündigten, sieht Vorstandsmitglied Patryk "lux_perpetua" Kopaczynski die Sache pragmatisch. Dass kaum Frauen dabei seien, sei eine "natürliche Erscheinung", erklärt der Sprachtrainer und meint damit, dass die Wurzeln der Piraten in der IT-Branche liegen.

Immerhin eine Frau zieht die Blicke der Piraten auf sich. Russland hat als Botschafterin eine junge Blondine mit Anonymous-T-Shirt, Burberry-Stiefeln und Louis Vuitton-Tasche bewaffnet nach Wien geschickt. Sie darf nicht nur in einer Fernschaltung Grüße an einen cola-schlürfenden optischen Nachfolger Rasputins senden, sondern auch den österreichischen Gefährten kundtun, dass sie zu ihren Lieblingspiraten gehören. Derweil schaut ein Gast aus der näheren Ferne ob der etwas wirren Statuten-Debatte schon ein wenig vergrämt vom Moderatorenpult. Fabio Reinhardt, Vize-Fraktionschef der Berliner Piraten, dürfte für seine österreichischen Kollegen noch einige gute Tipps in petto haben, wie man ein Abgeordnetenhaus entert. (APA, 1.4.2012)