Die Vögel zwitschern, der Spargel wächst, die Bächlein rauschen allerorten. Zeit war's: Das bisschen Frühlingsgefühl haben wir uns wohl verdient.

Dazu gehört auch, dass die Obstabteilungen der Supermärkte endlich zur Erdbeerernte rufen. Palettenweise stehen sie überall herum: riesige, dunkelrot lockende Früchte. Das Zeug riecht sogar entfernt erdbeerähnlich und kostet so wenig, dass es undankbar wäre, dafür auch noch Geschmack zu erwarten. Immerhin steht da das erste frische Obst des Jahres im Angebot! Den Winter über haben unsereins hart geprüfte Alpenländler bekanntlich nur am Kletzenbrot nagen dürfen.

Außerdem, so die Hoffnung des selbstlosen Genießers, wird mit dem Kauf die ohnehin am Boden liegende spanische Wirtschaft unterstützt.

Leider hört sich der Spaß hier aber auf: Das ist nämlich, ganz im Ernst, ein mörderischer Irrglaube. Nicht nur, dass erst der Einsatz rechtloser Arbeitssklaven die Diskontpreise möglich macht, unterstützt der Kauf jedes Körbchens auch noch die Verwandlung Südspaniens in einen trostlosen Wurmfortsatz der Sahara.

Schon jetzt sind aufgrund des enormen Wasserverbrauchs weite Teile von Verwüstung betroffen. Flüsse versiegen, der Grundwasserspiegel sinkt so dramatisch, dass auch in den letzten Vogelreservaten tausende illegale Brunnen gebaut werden müssen. Und alles nur, damit der Frühling bei uns nach wässrigen Erdbeeren schmeckt. (Severin Corti, DER STANDARD, 2.4.2012)