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Zwei Maximos Lideres im Gespräch - Papst und Fidel Castro.

Foto: Epa/OSSERVATORE ROMANO

Natürlich darf und soll der Papst herumreisen. Es schadet nicht, wenn insbesondere in Ländern mit totalitären Regimen jemand von Freiheit spricht. Wenn der Papst, wie bei seiner letzten Lateinamerikareise, Gewissens- und Religionsfreiheit in den Mund nimmt, ist zudem zu hoffen, dass es auch eine Rückwirkung auf die eigene Institution gibt. Leider hat der Papst allerdings auf Kuba den Glaubensgehorsam als die wahre Freiheit definiert. Da passt es dann, wenn ein Maximo Lider dem anderen die Hand schüttelt.

Blicken wir bei der Gelegenheit auf das Amtsverständnis, das der Papst durch seine Titel zum Ausdruck bringt, die er offiziell führt:

Interessanterweise ist die Zahl der im päpstlichen Jahrbuch (Annuario Pontifico) angeführten Rangbezeichnungen unter Benedikt XVI. von neun auf acht gesunken. Johannes Paul II. nannte sich auch noch Patriarch des Abendlandes. Wer hinter diesem Titelverzicht Bescheidenheit vermutet, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch.

Der Titel "Patriarch des Abendlandes" beinhaltet nämlich, dass es noch einen Patriarch des Orients gibt, was in der Ostkirche tatsächlich der Fall ist. Offensichtlich gilt es aus römischer Sicht um jeden Preis zu vermeiden, dass es einen Kollegen auf Augenhöhe geben könnte.

Es verbleiben damit aktuell acht Titel

Bischof von Rom: Der eigentliche Job des Papstes, den er aber de facto nicht ausübt. Dafür hat einen Kardinal eingesetzt, der ihm die Agenden abnimmt. Dieser darf aber nicht selbst Bischof von Rom sein, weil er ja sonst Papst wäre. Damit ist er nun Stellvertreter des römischen Bischofs, ohne gleichzeitig Stellvertreter des Papstes zu sein - wie so oft ist in der Kirche alles ein wenig kompliziert. (Ebenso verhält es sich mit der Funktion als Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz.)

Stellvertreter Jesu Christi: "Gesandte an Christi Statt" zu sein (2Kor 5,20) war in der Urkirche ein Missionsauftrag für die Christen und keine Aufgabe eines einzelnen Führers. Seit dem 12. Jahrhundert wird der Titel aber exklusiv für den Papst verwendet. Wenn Benedikt den nebensächlichen Titel "Patriarch des Abendlandes" streichen ließ, warum lässt er diese Selbstüberhöhung stehen?

Ich sehe das so: Man kann Verständnis dafür haben, dass ein Papst diese Titel einfach aus Tradition unverändert lässt, ohne ihnen besondere Bedeutung zuzumessen. Greift er aber ein und nimmt einen einzelnen weg (was eine bewusste Auseinandersetzung mit der Titelreihe voraussetzt), bestätigt er die übrig gebliebenen neu. Was will er uns damit sagen?

Nebenbei: Dass sich der (nach Eigendefinition) Stellvertreter des Sohnes dann etwas blasphemisch auch noch im Alltag "Heiliger Vater" nennen lässt, bleibt umso unverständlicher. Vielleicht klingt da noch durch, dass sich Innozenz IV. (1234-1254) sogar dazu verstieg, den Titel "Stellvertreter Gottes" zu führen. (Dieser Papst wird in einem Standardwerk katholischer Kirchengeschichtsprofessoren übrigens als "skrupelloser Diplomat" bewertet.)

Nachfolger des Fürsten der Apostel: Ein inhaltsleerer Titel, weil es niemals einen Apostelfürsten gegeben hat, Petrus war kein Aristokrat. Warum wurde diese Bezeichnung nicht auch gleich mitabgeschafft?

Höchster Pontifex der Gesamtkirche: Hat Anklänge an den Pontifex Maximus, den Oberpriester des Römischen Reiches, und damit heidnische Wurzeln. Will man das wirklich?

Primas von Italien: Ein funktionsloser Ehrentitel. Sinnvollerweise wird die Italienische Bischofskonferenz nicht auch noch vom Papst geleitet. Was soll er denn noch alles sein und tun?

Souverän des Staates der Vatikanstadt: Das weltliche Amt des Papstes als Staatschef in Form eines uneingeschränkten Alleinherrschers. Das gibt dem Papst internationale Unabhängigkeit, führt aber auch zu einer lebenslangen Immunität, die den Papst der weltlichen Gerichtsbarkeit enthebt, was nicht mehr zeitgemäß ist (siehe PPS).

Damit ist auch die Letztverantwortung für alle Aktivitäten des Kleinstaates verbunden. International ist der Vatikan derzeit wegen Vermutungen der Geldwäsche unter Beobachtung. Ist es nicht ziemlich absurd, wenn ein Papst damit befasst ist, ein "Apostolisches Schreiben in Form eines Motu Proprio über die Vorbeugung und Abwehr illegaler Aktivitäten im Bereich des Finanz- und Währungswesens" (30.12.2010) herauszugeben? Auch in einem Kirchenstaat könnte es eine sinnvolle Trennung der kirchlichen und weltlichen Ämter geben.

Die Ideologie des Kommunismus entspricht, so meinte der Papst am Weg nach Lateinamerika, nicht mehr der Wirklichkeit. Ein solcher Wirklichkeitstest im eigenen Bereich würde vielleicht dazu führen, dass für den Bischof von Rom als Funktionsbezeichnung nur mehr der achte Titel übrig bleibt:

Diener der Diener Gottes - mein Lieblingsbezeichnung für das Amt der Einheit, das in der Praxis leider so wenig gelebt wird ...


PS: Gute Nachricht aus der Erzdiözese Wien. Der Bischofsrat hat beschlossen, keinen Einspruch gegen die Wahl eines Homosexuellen zum Pfarrgemeinderat einzulegen, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt.

Dieser Kurswechsel verdient Respekt.

Gleichzeitig hieß es aber: "Der Bischofsrat gibt den Auftrag, in der Pfarrgemeinderatsordnung die Voraussetzungen für eine Kandidatur im Kontext weitergehender Überlegungen zu Wesen und Aufgabe des Pfarrgemeinderats präziser zu fassen." Das klingt schon wieder gefährlich. Will man da zukünftig wieder restriktiver werden?

Mir scheint genau das Umgekehrte sinnvoll: keine Beschränkungen! Alleinige Vorrausetzung für die Kandidatur sollte die Zugehörigkeit zur Kirche sein. Den Rest darf man getrost das Kirchenvolk beurteilen lassen - die Pfarrgemeinderäte sind nämlich dessen Vertreter.

PPS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (Wolfgang Bergmann, derStandard.at, 2.4.2012)