Mondän, rustikal oder kindlich: Die Hobby-Tierpräparatoren können ihren toten Mäusen eine Persönlichkeit nach ihrem Geschmack verpassen.

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New York - Susan Jeiven empfängt ihre Klasse in einer Kunstgalerie inmitten von Lagerhallen im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Etwa 20 neugierige Großstadtmenschen sind zu dem Kurs für Tierpräparation gekommen, nicht alle scheinen sicher zu sein, ob das auch eine gute Idee war. Eine in schwarz gekleidete Assistentin trägt ein Tablett mit toten weißen Mäusen in den Raum, sorgfältig angeordnet und noch ein bisschen gefroren. Auf den Tischen liegen Skalpelle, Tonklumpen und Draht. "Das ist nichts Ekliges", versucht Jeiven zu beruhigen. "Da wird kein Blut rausspritzen oder so."

Lange ist es her, dass sich ausgestopfte Tiere im Großbritannien des späten 19. Jahrhunderts als Kunstform großer Beliebtheit erfreuten. Im Brooklyn von heute avancieren Tierpräparate nun zu einem besonders skurrilen Trend. Die Kurse der 40-jährige Jeiven sind ausgebucht, 60 Dollar (rund 45 Euro) nimmt sie für die Einführung in das makabere Hobby.

 

 

Puppenkleider für Mäusekadaver

"Wir lassen den Schädel, die Beinknochen und die Armknochen drin", weist Jeiven die Novizen an. "Alles andere muss raus." Bevor die Klasse zu den Skalpellen greift, muss sie sich erst noch Dekorationen für ihre Mauspräparate aussuchen. Als Requisiten können die Kursteilnehmer dabei etwa Puppenkleidung oder Spielzeugmöbel wählen.

Vorsichtig schneiden die meisten Hobby-Präparatoren durch das Fell der toten Nager, deren pinke Pfoten starr in die Luft ragen. Einige gehen aber auch entschieden zu Werke, schwingen einen gekonnten Schnitt entlang der Wirbelsäule und beginnen, die Innereien herauszupulen. Am Ende bleibt der Hautmantel mit dem Knochengerüst - "Mäusetasche", wie Jeiven es nennt. "Einige Leute sind richtig gut", sagt sie. "Ich habe bemerkt, wer hier als Koch arbeitet."

Beißend riechende Konservierungsmittel

"Das stört mich überhaupt nicht", sagt der 30-jährige Geschichtslehrer David Edelman, der seine Mäusetasche mit beißend riechendem Konservierungsmittel besprüht. "Die einzige Sache, die mich stört, ist der Geruch." Seine Maus will er später in eine intellektuelle Denkerpose setzen, als Requisite hat er sich schon einen Mini-Globus ausgesucht. "Er wird ein Gelehrter sein", spricht Edelman fast liebevoll über den Haufen Haut und Knochen, der vor ihm liegt.

An einem anderen Tisch arbeitet Grafikdesignerin Sara Stryjewski daran, ihrer Maus eine neue Bestimmung als Country-Sänger zu geben, Spielzeug-Gitarre inbegriffen. Im Hinterkopf hat sie aber ganz andere Pläne. "Der Grund, warum ich das mache, ist, dass meine Katze alt wird und ich dachte, vielleicht ist das ja eine Möglichkeit", spricht sie freimütig über das mögliche Ausstopfen ihrer siechenden Mieze.

Mäuse ausräumen bei erstem Date

Die Schauspieler Jonathan Horvath und Kersti Bryan haben den Kurs als ungewöhnlichen Ort für ein Date gewählt. "Bisher läuft es ganz gut", sagt der 31-jährige Horvath, während er rätselt, wie er den Mäusepelz am elegantesten vom wurstartigen Interieur abtrennen könnte. Den erschlafften Körper des Nagers füllt er schließlich mit Ton wieder auf, die Beine stabilisiert er mit Draht. Der alte Inhalt wird ordnungsgemäß in eine Mülltonne mit der Aufschrift "Nur Eingeweide" entsorgt.

Als die Klasse sich schon auf das Dekorieren mit den Requisiten freut, mahnt Jeiven, dass noch die Augen herausgekratzt und mit Glasaugen ersetzt werden müssen. Das Gemetzel scheint ihr Freude zu bereiten. "Traumhaft", sagt sie. "Würde ich das nicht machen, wäre ich Massenmörderin geworden." Zugleich betont sie, dass die Mäuse ein schlimmeres Schicksal ereilt hätte, wenn sie die toten Tiere nicht erworben hätte: "Sie waren eigentlich als Fressen für Eidechsen und Schlangen gedacht." (APA, 2.4.2012)