Die Aufdeckung eines Plagiats kann einen Präsidenten stürzen. Am Montag trat der ungarische Präsident Pal Schmitt zurück, weil ihm sein Doktortitel entzogen wurde. In Österreich ist der bekannteste Fall des Verdachts eines Plagiates die Doktorarbeit des ehemaligen Wissenschaftsministers und jetzigen EU-Kommissars Johannes Hahn. Die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) prüfte seine Arbeit und kam zu dem Schluss, dass es sich um kein Plagiat handelte. Insgesamt überprüfte die OeAWI im Jahr 2011 15 Fälle, in denen der Verdacht bestand, dass gegen die wissenschaftliche Integrität verstoßen wurde. Am Montag wurde der Jahresbericht bei einer Pressekonferenz präsentiert.
Drei Plagiate
Insgesamt stellte die Agentur 2011 bei drei wissenschaftlichen Publikationen Plagiate fest. Zweimal wurden Daten gefälscht, in zwei Fällen wurden Autoren nicht genannt, zweimal machten sich Wissenschaftler einen fremden Forschungsansatz zu Eigen. In jenen Fällen, in denen gegen die wissenschaftlichen Regeln verstoßen wurde, kann die OeAWI den Universitäten und den Betroffenen nur Empfehlungen aussprechen. Ob diese umgesetzt werden, kann sie nicht beeinflussen. Bisher überprüfte die Agentur nur dann wissenschaftliche Publikationen, wenn sie auf Verdachtsfälle hingewiesen wurde. Hinweisgeber sind meist jene, die von den Plagiaten betroffen sind - also Wissenschaftliche Mitarbeiter, Kollegen oder die Unis selbst.
"Sensibles Gebiet"
Das Gebiet der wissenschaftlichen Integrität sei ein sensibles, da es oft ein Abhängigkeitsverhältnis innerhalb des wissenschaftlichen Personals gebe, so der Leiter der Kommission der OeAWI, Peter Weingart, bei der Pressekonferenz. Das zeigt beispielsweise ein Fall, bei dem der Professor die Forschungsideen und Projektanträge seines wissenschaftlichen Nachwuchses als seine eigenen bezeichnete. Diese Abhängigkeitsverhältnisse seien ein Grund, warum die Fälle des ÖAWI anonymisiert werden. Die Stellungnahme der Kommission zum konkreten Fall wird zudem nur den Betroffenen sowie der Universität mitgeteilt und nicht öffentlich gemacht.
Hinweise werden mehr
Der geringen Anzahl von tatsächlichen Verstößen gegen die wissenschaftliche Integrität steht eine steigende Anzahl von Hinweisen auf Verdachtsfälle gegenüber. Wurden im Jahr 2010 noch elf Fälle gemeldet, waren es 2011 bereits 30. Weingart führt das darauf zurück, dass die Agentur bekannt wurde und ihr deshalb mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. "Die Bereitschaft, einen Verdacht zur Anzeige zu bringen, nimmt zu", so Weingart. Man müsse in dem Zusammenhang aber auch bedenken, dass sich der Umgangsstil innerhalb der Wissenschaft ändert. "Das ist nicht nur positiv zu sehen", sagte Weingart. Es bestehe die Gefahr, dass die Sensibilität "überschieße". "Die tatsächliche Anzahl der Fälle ist gering, das System ist nicht marode", so der Sozialwissenschafter.
Druck steigt
Weingart hofft, dass die Plagiatsfälle nicht zunehmen und dass die Diskussion über wissenschaftliches Fehlverhalten zunimmt. Trotzdem gebe es "gute Gründe", von einer steigenden Anzahl an Plagiatsfällen auszugehen, da Publikationszahlen, Zitationszahlen und Drittmittelwerbung immer wichtiger werden, wodurch der Druck steige. "Dazu verhalten sich die Wissenschaftler, von denen manche meinen, das selbst beeinflussen zu können", sagt Weingart.
Die große öffentliche Aufmerksamkeit bei Plagiatsfällen führt Weingart darauf zurück, dass bei Verstößen gegen die wissenschaftliche Integrität gegen ethische Grundsätze verstoßen wird. Die Agentur selbst interessiere sich aber nicht für "prominente Fälle". "Wir haben vor allem kein Interesse, weil sie bereits in der Öffentlichkeit behandelt wurden", sagt der Kommissionsleiter. Er sieht keinen Sinn darin, diese Debatte parallel und kommentierend durch die OeAWI weiterzuführen. (lis, derStandard.at, 2.4.2012)