Auch im vergangenen Jahr fragten Polizei und Geheimdienste in Polen wieder viel mehr sensible Daten von ihren Bürgern ab als in anderen Ländern. Dies geht aus Daten der Stiftung Panoptykon, die am heutigen Montag von der "Gazeta Wyborcza" veröffentlicht wurden, hervor. Mehr als 1,8 Millionen Mal erkundigten sich die Behörden etwa nach Telefonlisten von Handys und deren Standorten. Die Tendenz ist steigend: 2010 gab es in Polen 1,4 Millionen solcher Zugriffe, 2009 erst eine Million.

Datenabfrage bei deutscher Polizei 35-mal seltener

Polnische Sicherheitsdienste dürfen die Telekommunikationsdaten in jeder Angelegenheit einsehen, auch wenn kein konkretes Ermittlungsverfahren läuft. Sie greifen über eine direkte Verbindung auf die Daten in den EDV-Systemen der Telefonbetreiber zu, so dass dort nur eine Spur hinterlassen wird: wer heruntergeladen hat und was heruntergeladen wurde. Dies sei zur Kriminalitätsbekämpfung notwendig, so die Argumentation. Die Stiftung weist jedoch darauf hin, dass die deutsche Polizei solche Daten 35-mal seltener (pro tausend Einwohner) abfragt und in jedem einzelnen Fall dazu das Gericht um Erlaubnis fragen muss.

Nur bei Verdacht

Nach zahlreichen Medienberichten hatte die Menschenrechts-Ombudsfrau Irena Lipowicz im vergangenen Jahr von Premier Donald Tusk gefordert, dass die Benutzung der Telefonlisten durch Geheimdienste kontrolliert werden und die Daten über Telefonkontakte nur bei Verdacht auf ernsthafte Verbrechen verfügbar sein sollen. Die Sicherheitsdienste sollten auch verpflichtet werden, die Daten zu vernichten, wenn sie für die Strafverfolgung unnötig sind. Weil es darauf keine Reaktion der Regierung gab, klagte Lipowicz im Juni 2011 beim Verfassungsgerichtshof gegen die Vorschriften des Telekommunikationsrechts, die den Behörden durch das Lokalisierungssystem der Handys ermöglichen festzustellen, wo und mit wem sich jemand aufhält. Lipowicz betonte damals, dass dadurch das in der Verfassung verankerte Recht auf Schutz der Privatsphäre der Bürger verletzt würde sowie das Prinzip, dass der Staat nur unbedingt erforderliche Informationen über Bürger sammeln darf.

Mangelnde Kontrolle der meisten Bespitzelungstechniken

Der Vorsitzende des Verfassungstribunals, Andrzej Rzeplinski, erklärte gegenüber der "Gazeta Wyborcza", dass die Klage wahrscheinlich mit einer anderen Klage der Menschenrechts-Ombudsfrau zur mangelnden Kontrolle der meisten Bespitzelungstechniken verbunden werde. Dieser zweite Fall sei weiter fortgeschritten und das Kombinieren der beiden Klagen könnte laut Rzeplinski das Urteil beschleunigen und helfen, einen Standard der Schutzes der Datensicherheit und der Privatsphäre festzulegen. (APA, 2.4.2012)