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Vor allem in der Anfangsphase des Uranbergbaus in der DDR, den "wilden Jahren", waren Schutzkleidung und Sicherheitsvorkehrungen rudimentär.

Foto: APA/Wismut

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Bei der Sanierung mussten künstliche Abraumhalden abgeflacht weden.

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Berlin/Wien - Hinter der wenig aussagekräftigen Bezeichnung Wismut AG stand die Gesellschaft, die in der DDR das Uran des Erzgebirges abbaute. Wer heute durch die großteils wieder sanierte Landschaft von Thüringen und Sachsen fährt, sieht kaum noch etwas von den Wunden, die der Bergbau in die Region geschlagen hat.

Ohne große Sicherheitsvorkehrungen für die Kumpel, ohne besondere ökologische Rücksichtnahme wurde gut 40 Jahre im Süden Ostdeutschlands Uran abgebaut. Das Erzgebirge lieferte das Uran in die Sowjetunion. Dort wurde es zum Bau jener Kernwaffen benötigt, mit denen die Arsenale des Kalten Krieges bestückt waren. Während in einem typischen DDR-Unternehmen die Führungsposten Parteimitgliedern vorbehalten waren, war die Lenkung des deutsch-sowjetischen Unternehmens aus strategischen Gründen von hochrangingen Sowjets besetzt.

Noch immer gehen die Menschen in Sachsen und Thüringen zwiespältig mit ihrer Geschichte um. Viele Menschen waren dem Uranbergbau nicht abgeneigt. Über die gesundheitlichen Risiken war man, zumindest am Anfang, nicht recht informiert. Und im Laufe der Zeit, als sich die Abbaumethoden und Sicherheitsvorkehrungen verbesserten, entwickelten die Kumpel einen stark ausgeprägten Berufsstolz. Sie waren besser bezahlt als in planwirtschaftlich reglementierten, oftmals öden volkseigenen Betrieben oder Industriekombinaten. Auch die Sozialleistungen in Form von Wohnungen, Kinderkrippen, speziellen Spitälern und kulturellen Einrichtungen waren in besserer Qualität und in ausreichender Weise verfügbar in dem sonst strikt planwirtschaftlich geführten Staat mit seinen ständigen Knappheiten an allen möglichen Waren und Dienstleistungen.

Eine Art "Staat im Staat entstand", analysiert der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch in dem mehrfach aufgelegten Buch Uran für Moskau - mit all den Schattenseiten wie Sonderjustiz und Militärtribunale. In typisch propagandistischer Manier des sozialistischen Regimes wurde das Uran "Erz für den Frieden" genannt. Der Export in die Sowjetunion wurde eine wichtige Einnahmequelle der notorisch unterfinanzierten DDR.

Während das vom Rest des Landes abgeschottete Unternehmen zum viert-, manche sagen drittgrößten Uranproduzenten der Welt aufstieg, wuchs auch der Arbeitskräftebedarf auf zeitweise bis zu 45.000 Menschen an. An die 20. 000 Arbeitskräfte rekrutierte in den ersten Abbaujahren die sowjetische Besatzungsmacht mittels Zwangsverpflichung. Wegen der Flucht von Arbeitern und vieler schwerer Unfälle unter Tag musste der Nachschub an Zwangsverpflichteten aufrecht bleiben. Flüchtlingslager wurden nach potenziellen Arbeitskräften "durchkämmt". Dass das Unternehmen in der Folge nicht zum Gulag verkam, war auf einige mutige Wismut-Mitarbeiter und Ärzte zurückzuführen.

Heute ist diese Geschichte im Wesentlichen aufgearbeitet, wenn auch viele Menschen in Sachsen und Thüringen noch immer nicht gerne darüber reden. Lungenkrebs, in der DDR als Berufskrankheit anerkannt, dürfte hier noch immer häufiger sein als anderswo. Die Uranförderung wurde gleich nach der Wiedervereinigung eingestellt, sowieso waren die Vorkommen leergeschürft. Gigantische 231.000 Tonnen waren aus dem Berg geholt worden. Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 hatte selbst in der DDR, wo das marxistische Weltbild von einer "prinzipiellen Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen ausging" (Karlsch), erstmals eine laute kritische Öffentlichkeit entstehen lassen. In den Staatsmedien kam es zu einer verspäteten und verharmlosenden Berichterstattung über den Reaktorunfall. Ein paar Jahre später war die DDR Geschichte.

Gegenwart und Zukunft

Heute ist die Wismut GesmbH noch immer staatlich, beschäftigt aber nur 1450 Mitarbeiter und hat laut Öffentlichkeitssprecher Frank Wolf 5,6 Milliarden Euro Bundesmittel erhalten, die in die Aufbereitung von kontaminiertem Wasser und Schlämmen, in die Sanierung von Dämmen und Halden und in die Flutung von Stollen gesteckt wurden. "Es ist dies das größte Umweltprojekt Europas", sagt er. Zu Ende ist es noch immer nicht. Nach einer 2010 durchgeführten Berechnung werden noch 1,5 Milliarden Euro fließen müssen. Ganz abschließen kann man das Kapitel überhaupt nie, da ehemalige Gräben und Stollen kontinuierlich überwacht werden müssen.

Als Vorbild für Restaurierung und die Schaffung eines neuen " Businessmodells" für die Bergbauregion wird gerne die sächsische Ortschaft Schlema genannt. Diese darf sich wieder mit dem Wörtchen Bad schmücken. Schlema war mit 80.000 Tonnen, die aus bis zu 1800 Meter Tiefe geholt wurden, eine der größten Uran-Lagerstätten. Rund um die Ortschaft, die wie alle Bergbauorte grau von Staub war, türmten sich 18 Abraumhalden. Die meisten dieser künstlichen Berge wurden abgeflacht und mit einer Schicht Erde versehen, sodass heute darauf Grünes wachsen kann. Gemeinsam mit kommunalen Betrieben und Investoren wurde eine Therme gebaut, sodass Bad Schlema an die 1945 aufgegebene Historie als Kurort anknüpfen kann. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 3.4.2012)