Budapest - Vor der Wahl des Nachfolgers des am Montag zurückgetretenen ungarischen Staatspräsidenten Pál Schmitt durch das Parlament will die mit Zweidrittelmehrheit regierende rechtskonservative Partei Fidesz ("Bund Junger Demokraten") von Ministerpräsident Viktor Orbán die anderen Parlamentsparteien in die Beratungen einbinden. Das gab Fraktionschef János Lázár nach einer nächtlichen Sitzung der Fidesz-Abgeordneten in Budapest bekannt. "Wir werden alle Vorschläge prüfen", sagte Lázár, der am Montagabend mit Vertretern der Opposition zusammengekommen war. Die sozialistische Opposition zweifelt allerdings an der Ernsthaftigkeit der Ankündigung. Ihren Präsidentschaftskandidaten will Fidesz am 16. April nominieren.

Der 69-jährige Präsident Schmitt hatte am Montag seinen Rücktritt erklärt, nachdem ihm die zuständige Semmelweis-Universität in der Vorwoche den Doktortitel wegen Plagiats aberkannt hatte. Das Parlament hatte Schmitts Demission umgehend angenommen. Die Amtsgeschäfte gingen damit interimistisch auf Parlamentspräsident László Kövér über.

Die ungarische Nationalversammlung hat dreißig Tage Zeit, um ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Als möglicher Nachfolger Schmitts wurde zuletzt neben Parlamentspräsident Kövér der Europaabgeordnete János Áder genannt. Beide gehören zu den Mitbegründern von Fidesz und stehen Premier Orbán sehr nahe.

Opposition: Treffen war "Show"

Der Chef der oppositionellen Sozialisten (MSZP), Attila Mesterházy, zeigte sich unzufrieden mit den Gesprächen über die Suche nach einem Nachfolger für Schmitt. Das Treffen am Montagabend sei "nur eine Show" gewesen, kritisierte er. Die Mehrheitspartei gebe nur vor, die Opposition einbinden zu wollen. Mesterházy hatte in der MSZP Ex-Präsident László Sólyom (2005-10) für eine weitere Amtszeit ins Spiel. Er habe seine persönliche Unterstützung für Sólyom geäußert, aber die Partei habe sich noch nicht auf einen Kandidaten geeinigt, sagte Mesterházy.

Die ultrarechte Jobbik lehnt sowohl Sólyom als auch Köver als neues Staatsoberhaupt ab. Parteichef Gábor Vona erklärte, der Staatspräsident sollte direkt vom gewählt werden, um dem Posten "Würde zurückzugeben". Auch die Sozialisten sprachen sich prinzipiell für eine Volkswahl des Präsidenten aus oder aber für die Einführung einer erforderlichen Vierfünftelmehrheit im Parlament, damit die Dominanz der über die Zweidrittelmehrheit verfügenden Fidesz umgangen werden könne.

Linke Zeitung gegen "Marionettenpräsidenten"

Die linksliberale Budapester Tagezeitung "Népszabadság" riet Orbán am Dienstag, seinen früheren Fehler zu korrigieren und auf die neuerliche Einsetzung eines Marionettenpräsidenten zu verzichten. "Es gibt zahlreiche Menschen im rechten Lager, die auf unbestreitbare Weise geeignete Kandidaten (für das Präsidentenamt) wären".

Der nächste Präsident Ungarns wird der fünfte seit dem Ende des Kommunismus sein, nach Árpád Göncz, Ferenc Mádl, Sólyom und Schmitt. (APA, 3.4.2012)