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Christoph Schönborn, Wiener Erzbischof.

Foto: Reuters/Prammer

"Das Homo-Büblein hat dem Homoporn-Kardinal den Kopf verdreht": Auf tiefstem Niveau wird auf der fundamentalistischen Website kreuz.net anonym gegen den Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gewettert, seit dieser die Wahl eines homosexuellen Gemeinderats in Niederösterreich bestätigt hat (siehe ausführlicher Artikel zu kreuz.net).

Bischöfliche Zurückhaltung

Während diese Hetze weiter öffentlich ist, hält man sich von offizieller bischöflicher Seite mit Stellungnahmen zu Schönborns Homosexuellen-Entscheidung zurück. Man wolle die Causa nicht kommentieren, weil es guter Brauch sei, sich nicht in andere Diözesen einzumischen, heißt aus dem Büro des Diözesanbischofs Klaus Küng in St. Pölten. Küng hatte vor zwei Jahren vor "homosexuellen Netzwerken" in der katholischen Kirche gewarnt, die ein "großer Schaden der Seelsorge" seien.

Auch aus Salzburg, wo Erzbischof Alois Kothgasser und Weihbischof Andreas Laun mit der Chrisam-Messe beschäftigt waren, war keine Stellungnahme zu erhalten. Pressesprecher Wolfgang Kumpfmüller: "Wir respektieren die Entscheidung Schönborns, anderen Diözesen steht jedoch eine Bewertung nicht zu." Laun hatte mit seinen Aussagen über Homosexualität, die für ihn der göttlichen Ordnung widerspricht, in der Vergangenheit immer wieder für Aufregung gesorgt. Im Gegensatz dazu hat sich Kothgasser immer wieder gegen Diskriminierung ausgesprochen.

"Der Diözesanbischof Alois Schwarz schließt sich der Entscheidung und der dazugehörigen Stellungnahme von Kardinal Schönborn vollinhaltlich an", teilte die Diözese Gurk in Klagenfurt in einem kurzen Statement mit.

Offenere Töne kommen aus der Diözese Linz, wo Rolf Sauer, Referent für Ehe-, Familien- und Beziehungsseelsorge, meint, dass Schönborn mit seiner Entscheidung dem Frieden gedient habe. Diese Öffnung sei höchst an der Zeit, und zwar so, dass schwule Männer und lesbische Frauen nicht nur als Mitglieder geduldet, sondern auch in transparenter Weise willkommen geheißen werden. In der Diözese Linz seien an vielen Orten und auf nahezu allen Ebenen Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung tätig.

Sauer antwortete in Vertretung seines verhinderten Bischofs Ludwig Schwarz, der 2005 noch meinte, dass man nicht Priester werden könne, wenn man Homosexualität lebe. Ludwig Schwarz: "Wenn jemand eine Neigung hat und sich über Jahre bemüht, diese in den Griff zu bekommen, werden wir ihm mit viel Liebe und Geduld begegnen. Wer Homosexualität lebt, kann nicht Priester werden." Das sei wie bei Kleptomanen. Wenn jemand jahrelang nichts mitgehen lasse, könne man ihm vertrauen.

Kritik des Moraltheologen

Josef Spindelböck, Moraltheologe und Priester in der Diözese St. Pölten, sagt, er hätte an Schönborns Stelle "vermutlich nicht so entschieden". Er könne die Absicht des Kardinals verstehen, dass er nach dem Motto "Hasst die Sünde, liebet den Sünder" den homosexuellen Pfarrgemeinderat zugelassen habe. Auf der anderen Seite sieht Spindelböck die "Problematik des Missverständnisses": Aus Schönborns Entscheidung könnten "falsche Schlussfolgerungen" gezogen werde. Denn die "Lehre der Kirche" sei daraus nicht klar ersichtlich. "Homosexuell zu empfinden ist noch keine Sünde. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Diese Leute sollen sich beherrschen und enthaltsam leben, ich weiß, das ist anspruchsvoll", sagt Spindelböck. Weiters verwies Spindelböck auf Schönborns "Predigt zur Chrisammesse" vom 2. April, in der der Kardinal deutlich gemacht habe, dass ausgelebte Homosexualität weiterhin als Sünde anzusehen sei.

Lob von "Wir sind Kirche"

Schönborn erntete für seine Entscheidung jedoch auch Lob. "Dem Bischofsrat der Erzdiözese Wien sowie allen Beraterinnen und Beratern des Erzbischofs und nicht zuletzt Christoph Kardinal Schönborn selbst ist für die Entscheidung zu danken, dass auch Menschen Dienste und Ämter in der Kirche übernehmen dürfen, wenn sie in einer homosexuellen Beziehung leben. Diese Entscheidung zeigt Menschlichkeit, Bibeltreue und ist von Vernunft getragen", reagierte die ansonsten sehr kritische Plattform "Wir sind Kirche". Dies lasse hoffen, dass die Kirchenleitung auch künftig den Anliegen, Fragen, Sorgen und Nöten der Menschen verstärkt mit Menschlichkeit und mit vernünftigen Lösungen begegnen werde und diese schrittweise in zeitgemäßer Form umsetze. 

Homophil

"So homo hat man keinen österreichischen Bischof je erlebt", kommentiert Christian Högl, Obmann der Homosexuellen Initiative Wien (HOSI), Schönborns "mutigen Schritt". Wenn er sich streng an die Regeln Roms gehalten hätte, wäre dies schließlich nicht erlaubt gewesen, so Högl. Grundsätzlich verbitte man sich aber, dass sich die Kirche in Privatangelegenheiten einmische, weshalb man sich auch nicht in die Angelegenheiten der Kirche einmischen wolle. Aufgrund der sehr hierarchischen Struktur mit dem Papst an der Spitze, der mit dem Thema Homosexualität "vielleicht mehr Erfahrung hat, als man nach außen hin vermuten würde", erwartet sich Högl keine wesentliche Änderung des Umgangs der katholischen Kirche mit Homosexuellen. Wenngleich auch in Österreich an der kirchlichen Basis durchaus sehr engagierte Leute tätig seien.

Mehr Öffnung für Homosexuelle?

Gibt es also nun eine Änderung in der Kirche, was den Umgang mit Homosexuellen betrifft, oder nicht? Schönborns jüngste Aussagen, dass er die kirchliche "Norm" weiter beibehalten wolle, deuten nicht auf eine Öffnung hin. Der homosexuelle Pfarrgemeinderat Florian Stangl sei ein Einzelfall, meint Schönborns Sprecher. Ob dies nun zu einem Präzedenzfall werde, bleibe abzuwarten. Grundsätzlich entscheide jede Diözese für das ganze Bistum, wie sie es mit der Pfarrgemeinderatswahlordnung hält. Schlagend wird diese Entscheidung jedoch erst wieder in fünf Jahren, bei der nächsten Pfarrgemeinderatswahl. (Katrin Burgstaller, Rainer Schüller, derStandard.at, 4.4.2012)