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Großeinsatz für die Polizei an der Oikos University in Kalifornien: Der Amokschütze stellte sich am Montag in einem Supermarkt nahe der Universität.

Foto: EPA/MONICA M. DAVEY

Nichts als Ratlosigkeit klang aus den Worten der Bürgermeisterin. "In diesem Land, scheint mir, haben wir uns mittlerweile an sinnlose Massenmorde gewöhnt", ließ Jean Quan ihrem Frust freien Lauf. "Wir müssen uns fragen, ob es nicht viel zu leicht ist, an Waffen zu kommen." Und wie so oft nach einem Amoklauf rätseln die Amerikaner über das Motiv. Am Montag hat One L. Goh im kalifornischen Oakland sieben Menschen getötet. Schauplatz war die Oikos University, ein christliches College. Assoziiert mit einer koreanischen Kirche, bildet Oikos Krankenpfleger und Theologen aus.

Auch Goh, ein eingebürgerter Südkoreaner, hat dort studiert. Allerdings soll er seinem Kurs seit fast drei Monaten ferngeblieben sein. Der Mann habe sich über das College geärgert, berichtet Howard Jordan, der Polizeichef Oaklands, angeblich war er mit einer Vizerektorin der Hochschule aneinandergeraten. Wie Jordan andeutete, suchte er nach einer bestimmten Person, als er bewaffnet den Campus betrat. Folgt man dem, was Angehörige Verletzter über das Drama erzählen, dann hat Goh einige seiner Kommilitonen regelrecht hinrichten wollen.

Fliehenden hinterhergeschossen

"Er kam ins Klassenzimmer und befahl allen, sich an der Wand aufzustellen", schildert Paul Singh, der Bruder von Dawinder Kaur, einer 19-Jährigen, die mit Schussverletzungen im Krankenhaus liegt. Als der Eindringling seine Waffe zog, sei Panik ausgebrochen. Wer konnte, sei auf den Flur gerannt, der Amokläufer habe den Fliehenden hinterhergeschossen. Dawinder Kaur, von einer Kugel am Ellenbogen getroffen, habe es blutend ins Freie geschafft, während andere auf dem Korridor zusammengesackt seien.

In einem Nachbarraum verriegelte Dechen Wangzom geistesgegenwärtig die Tür und schaltete das Licht aus, als sie Schüsse hörte. Im Halbdunkel hockend, griff die Mittdreißigerin zum Handy, rief ihren Mann Tashi an und bat ihn flüsternd, 911 zu wählen, die Nummer des Notrufs. Der Schütze habe ein paar Mal auf die verschlossene Tür gefeuert, bevor er sich entfernte. Später stellte er sich in einem Supermarkt.

Heikle Waffen-Diskussion

Wer nun damit rechnet, dass amerikanische Politiker zu einer Diskussion über Sinn oder Unsinn lockerer Waffengesetze aufrufen, wird bisher enttäuscht. Im Wahljahr 2012 ziehen es Demokraten wie der kalifornische Gouverneur Jerry Brown vor, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ihre republikanischen Rivalen könnten sie als Verfassungsfeinde hinstellen, garantiert doch ein Zusatzartikel zum Grundgesetz privaten Waffenbesitz. Die National Rifle Association (NRA) könnte sich einschalten, und dass man gegen sie leicht den Kürzeren zieht, weiß auch Präsident Barack Obama. In über drei Amtsjahren tat er nichts, was die NRA als Affront auffassen könnte, nun hüllt er sich in beredtes Schweigen.

In Kalifornien geht der Diskurs sogar hin zu noch laxeren Regeln. Eine Studenteninitiative, die sich fürs Waffentragen am College einsetzt, sieht sich bestätigt. "Waffenfreie Zonen sind verteidigungsfreie Zonen", sagt ihr Sprecher David Burnett. "Wenn uns die Colleges schon nicht schützen können, sollten sie uns wenigstens im Falle eines Feuergefechts eine faire Chance geben." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 4.4.2012)