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Ein Bild, das man bald öfter sehen dürfte: Wolfgang Schäuble bei einem Gespräch mit Journalisten am Rande des Eurotreffens, hier in Kopenhagen am Wochenende. Der Deutsche soll Jean-Claude Juncker ablösen.

Foto: Reuters

"Juncker sagt zu mir: 'Du musst es machen!', ich sage zu ihm, ,Nein, du musst es weiter machen!'." Mit dieser launigen Schilderung umriss der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble am vergangenen Wochenende bei einem Ministertreffen in Kopenhagen seine Gespräche mit Luxemburgs Premierminister in der Frage, wer ab 1. Juli den Job als mächtiger Chef der Eurogruppe einnehmen soll.

Die beiden Christdemokraten sind die Hauptkandidaten dafür. Und sie sind sehr gut miteinander, sind sich eng verbunden. Jean-Claude Juncker hatte schon vor Wochen öffentlich gemacht, dass er sein Amt Ende Juni zurücklegen wolle, er fühle sich total "ausgebrannt" nach sieben Jahren in der Doppelfunktion als Premier seines Landes und gleichzeitig Chefkoordinator der Finanzminister der 17 Eurostaaten.

Diese im Zuge der Eurokrise wichtigste Personalie neben der Kür des nächsten Präsidenten der EU-Kommission wäre wohl noch bis nach der Wahl des Staatspräsidenten in Frankreich Mitte Mai unentschieden geblieben; ganz so, wie es sich die Regierung in Paris gewünscht hat. Nach dem Eklat zwischen Juncker und Finanzministerin Maria Fekter in Kopenhagen kochen nun jedoch die Gerüchte in Brüssel und in den Hauptstädten hoch. Juncker hatte eine Pressekonferenz mit Zentralbankchef Mario Draghi in letzter Minute platzen lassen, wegen Fekters "Geschwätz", wie er Le Monde sagte; weil sie Journalisten vor ihm informiert hatte.

Nierenprobleme

Fekter wies dies zurück, führte seinen Schritt im STANDARD-Interview eher darauf zurück, dass er wegen Nierenproblemen große Schmerzen hatte. Jenseits dieses Geplänkels zeichnet sich nun ab, dass Junckers Zeit als Chef der Eurogruppe tatsächlich vorbei sein dürfte, auch wenn einige kleiner Länder ihn behalten wollen.

Die Tatsache, dass er in Kopenhagen die Nerven verlor und seinerseits Draghi düpierte, sich als unberechenbar erwies, wird nun auch gegen Juncker ins Spiel gebracht. "Wir wissen schon lange, dass er so seine Probleme hat", sagt ein Spitzendiplomat dem STANDARD . Der Grund jedoch, warum Schäuble neuer Eurogruppenchef werden dürfte, liege aber woanders: "Angela Merkel will das so." Die deutsche Kanzlerin soll dazu bereits Einvernehmen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy erzielt haben. Paris hätte keine Einwände, dass ein Deutscher übernimmt.

Merkels Gründe sind vielfältig: Sie will ein verlässliches Management der Eurokrise von Brüssel aus. Juncker hat sie seit 2010 mehrfach geärgert, weil er als "Darling der Medien" den Deutschen oft "gute Ratschläge" erteilt. Mal hielt er Merkel vor, ihr fehle es an europäischer Gesinnung, dann verlangte er die Einführung von Eurobonds, die Berlin strikt ablehnt. Auf der anderen Seite ziert sich Luxemburg bei der Finanztransaktionssteuer, die Berlin braucht.

Hedgefonds-Markt

Nicht uneigennützig: Luxemburg ist nach London der größte Hedgefonds-Markt. Merkel könnte Schäuble mit dieser ehrenhaften Aufwertung auf Europaebene persönlich gewinnen. Europa ist ihm ein Herzensanliegen, er hat in vier Jahrzehnten als Politiker alles erreicht. Nur sein Lebenstraum, Kanzler zu werden, wurde ihm vereitelt - von Merkel nach der CDU-Parteispendenaffäre. Schäuble bereitet sich intensiv auf eine mögliche Rolle in Brüssel vor. Als Eurogruppenchef würde er auf Augenhöhe mit den Staats- und Regierungschefs agieren.

Reuters zitiert den Bruder Schäubles: Nach gesundheitlichen Problemen vor zwei Jahren " fühlt er sich besser denn je. Er ist sehr diszipliniert, hat mit dem Rauchen aufgehört, trinkt nicht, trainiert". Der neue Job wäre "die Krönung seiner politischen Laufbahn", sagt ein deutscher Spitzendiplomat. Das alles klingt überaus motiviert für jene Funktion, die die Bildung einer politische Union erarbeiten soll, "mein Europa", so Schäuble in Kopenhagen. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 4.4.2012)