Im ersten Jahr ihres Bestehens sah es tatsächlich noch so aus, als ob Österreich wieder einmal eine Insel der Seligen und Braven wäre: Im Jahr 2009 wurden gerade einmal fünf Verdachtsfälle an die Kommission für wissenschaftliche Integrität herangetragen. Im Jahr darauf waren es elf. Der aktuelle Jahresbericht für das Jahr 2011 weist nun aber immerhin schon 30 Verdachtsfälle aus, denen die Kommission nachging.

Mogelten die österreichischen Forscher in den letzten beiden Jahren mehr? Wohl eher nicht. Der renommierte deutsche Soziologe Peter Weingart, Vorsitzende der Kommission, führt den Anstieg der Anfragen auf den gestiegenen Bekanntheitsgrad der in Österreich erst spät eingerichteten Agentur zurück - sowie das größere Interesse aufgrund der Plagiatsfälle prominenter Politiker.

Ein weiterer Grund dürfte wohl auch sein, dass mittlerweile 31 Forschungseinrichtungen aus Österreich - darunter alle Universitäten - Mitglieder des Vereins Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) sind, der 2008 nur zwölf Gründungsmitglieder hatte.

Ziemlich zeitgleich übrigens mit dem Rücktritt des ungarischen Präsidenten Pál Schmitt, der über seine abgeschriebene Dissertation stolperte, präsentierte Weingart am Montag den Jahresbericht der strikt international besetzten und von der OeAWI eingesetzten Kommission und stellte zunächst einmal klar, dass die Kommission nicht in jedem Fall zuständig sei.

Nicht jede Verdachtsmeldung werde auch gleich zu einem Fall, da man etwa für studienrechtliche Fragen nicht zuständig sei. Zudem habe das Gremium auch keine rechtliche Handhabe: Die Kommission beendet seine Verfahren mit einer Stellungnahme in Form einer Empfehlung an die jeweils betroffene Institution - so geschehen etwa bei der umstrittenen Dissertation von Ex-Wissenschaftsminister Johannes Hahn.

Insgesamt wurden bisher 15 Fälle behandelt, die - etwas überraschend - ziemlich gleich verteilt aus allen wissenschaftlichen Bereichen stammen. In sechs Fällen ging es um Plagiatsvorwürfe, in fünf um die Ausbeutung fremder Forschungsansätze, in jeweils zwei weiteren um Datenfälschungen und um Konflikte um die Autorschaft. Zumindest bei den Plagiaten (insbesondere von Abschlussarbeiten) kommt wohl noch einiges nach: Derzeit erhebt die OeAWI eine österreichweite Statistik über Plagiatsfälle. (tasch, DER STANDARD, 4.4.2012)