Benghazi - Die Region Cyrenaika im Osten Libyens hat vor einem Monat ihre Autonomie erklärt. Libyen nach dem Ende der Gaddafi-Ära sei noch kein Staat, sagt der Vorsitzende des neu gegründeten Rates von Cyrenaika, Ahmed al-Senussi. Weiterhin würden Milizen Teile des Landes kontrollieren, das sich weiterhin im Kriegszustand befinde.

In einem Interview, das Senussi der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" gab, spricht er davon, dass die Demokratie in Libyen immer noch am Anfang stehe: Zwar sei es den Aufständischen gelungen Diktator Muammar al-Gaddafi zu stürzen, aber "die Strukturen der Diktatur bestehen noch und bedrohen das Neue". Der Zentralismus sei ein Erbe Gaddafis das schwer zu überwinden sei, Libyen brauche jedoch dringend eine transparente Regierung, die alle Teile des Landes vertrete.

Anerkennung der Weltgemeinschaft wichtig

Die Freiheit ist für Senussi die wichtigste Errungenschaft der Revolution. Der 79-jährige Großneffe des letzten libyschen Königs verbrachte unter Gaddafi 31 Jahre im Gefängnis, bevor er 2001 begnadigt wurde. Richtig frei habe er sich jedoch erst 2011 gefühlt. Damit auch das Volk diese Freiheit zu schätzen wisse und sich nicht in die Zeit Gaddafis zurücksehne, müssten ihm Intellektuelle diese Freiheit immer wieder vor Augen führen.

Wichtig ist Senussi auch die Anerkennung der Weltgemeinschaft und die Errichtung eines Systems zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen - egal ob sie von Anhängern Gaddafis oder von Rebellen begangen wurden. Damit dies gelingen könne, sollte man ihm zufolge überlegen, internationale Beobachter ins Land zu holen.

Ziel: Föderales System

Die Situation in den Revolutionsländern Nordafrikas sieht der Vorsitzende des Rates von Cyrenaika pessimistisch: Tunesien sei eine Ausnahme, dort falle der Übergang zur Demokratie leichter. In Ägypten herrsche jedoch das System des gestürzten Langzeit-Präsidenten Hosni Mubarak unter dem regierenden Militärrat weiter. Die dortige Situation erkläre auch, warum die libyschen Milizen zögerten, die Waffen niederzulegen. Das Vertrauen in die neuen Verantwortlichen - ehemalige Gaddafi-Leute, die erst mit Revolutionsbeginn übergelaufen seien - sei einfach zu gering.

Am 6. März haben Politiker und Stammesvertreter in der libyschen Stadt Benghazi die Autonomie für die östliche Region Cyrenaika ausgerufen. Zum Ziel erklärten sie damals ein föderales System, ähnlich jenem in Spanien - ein Auseinanderbrechen Libyens wollen sie verhindern. Die historische Region der Cyrenaika umfasst neben Benghazi auch die weiter östlich gelegenen Städte Darna und Tobruk und reicht bis nach Ajdabiya im Westen. Die Verwaltung übernahm der Rat von Cyrenaica, an dessen Spitze Ahmed al-Senussi berufen wurde. (APA, 4.4.2012)