Die neueste Idee des Integrationsstaatssekretärs Sebastian Kurz klingt gut: Bildungsferne Migrantenfamilien sollen bis zu zwei Jahre lang einmal pro Woche Hausbesuch erhalten. Dabei sollen Helferinnen mit demselben Migrationshintergrund den Müttern von Kleinkindern im Alter von drei bis sechs Jahren den Umgang mit Spiel- und Lernprogrammen beibringen. Die Zielgruppe des Projekts sind türkische Frauen, die weitgehend isoliert von der Mehrheitsgesellschaft leben, sprich, mit ihren kleinen Kindern zu Hause sind.

Wie gesagt, die Idee klingt gut. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht gut funktionieren wird. Vermutlich wird bei der Evaluation in ein, zwei Jahren herauskommen, dass die Mütter und ihre Kinder vom Projekt profitiert haben. Der Integrationsstaatssekretär hat für diese Idee viel Lob eingeheimst, die Grünen sehen gar ihre eigenen Forderungen verwirklicht.

Und dennoch haftet dieser Idee etwas an, das Unbehagen auslöst. Es ist zum einen der Gedanke, Integrationsbestrebungen mit Hilfe der "Community" umsetzen zu wollen. So unproblematisch und positiv besetzt, wie die grüne Integrationssprecherin Alev Korun den Ausdruck "Community" verwendet ("die Community als Multiplikatoren"), ist dieser Begriff (leider) nicht. Was genau soll eine Community sein? Was soll sie für ihre Mitglieder leisten? Ist sie ein reiner Segen oder nicht manchmal auch ein Fluch? Der Begriff "Community" entspringt der Sehnsucht, die Realität einer heterogenen Bevölkerung zu vereinfachen, zu kategorisieren und damit kontrollierbarer und berechenbarer zu machen. Die Zugehörigkeit zum fiktiven Konstrukt "Community" wird bei diesem Projekt anscheinend geradezu in den Rang einer Qualifikation für Integrationsarbeit gehoben.

Ein anderer Aspekt, der einen schalen Beigeschmack aufweist, ist die implizite (wenn auch nicht geäußerte und vermutlich nicht einmal bewusst gedachte) und ein wenig entmündigende Unterstellung, bildungsferne Familien könnten sich nicht im ausreichenden Maße um die Erziehung ihrer Kinder im Vorschulalter kümmern und bräuchten "Nachhilfe" von der Mehrheitsgesellschaft. Ob bildungsfern oder nicht - wir reden hier von erwachsenen Menschen, die ihre kleinen Kinder beaufsichtigen, vermutlich nach bestem Wissen und Gewissen.

Dass die Kinder in der ersten Klasse Volksschule nicht exakt die gleichen Voraussetzungen mitbringen, ist eine Tatsache, mit der das Bildungssystem fertig werden muss; aber schon bei den Dreijährigen darauf zu pochen, dass sie auf eine besonders geförderte Weise auf den Schuleintritt vorbereitet werden sollten, nur weil sie aus bestimmten Familien kommen, mutet wie Leistungsdruck an. Und nebenbei drängt sich dann eine weitere Frage auf: Na gut, wenn Kinder schon ab drei auf den Schuleintritt vorbereitet werden sollen, warum dann nicht auch solche aus bildungsfernen österreichischen Familien?

Und schließlich ein letzter Punkt: Man kann davon halten, was man will, aber in einem Land zu leben, ohne die Landessprache zu sprechen, und sich abseits des Arbeitsmarkts anderweitig, also in familiären Strukturen, zu arrangieren ist grundsätzlich legitim. Es mag unemanzipiert sein und wenig Entwicklungspotenzial bergen, aber es ist kein Phänomen, das die Politik um jeden Preis ausmerzen muss. Was die Politik jedoch sehr wohl leisten sollte, ist, die Folgen solcher Arrangements, also die Benachteiligung von Kindern aus patriarchalen Familienstrukturen im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt, zu bekämpfen.

Es ist aber fraglich, ob man dies mit Hausbesuchen von "Community"-Mitgliedern schaffen kann. Vielleicht wäre es sinnvoller, solche Spiele und Lerntipps in Nachbarschaftszentren in Gruppen zu vermitteln, so dass die betreffenden Frauen einen Anreiz haben, ihre vier Wände zu verlassen. Bei Hausbesuchen besteht die Gefahr, dass die Haltung, "mit den Kindern daheim zu sitzen", noch weiter einzementiert wird. (Mascha Dabić, daStandard.at, 4.4.2012)