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Ob beten was hilft? Ziesel und Hamster (nicht im Bild) von Stammersdorf sollen umsiedeln, weil Wohnungen gebaut werden.
Wien - Das europäische Ziesel hat es nicht leicht: einst als Schädling gejagt, steht der Nager heute an oberster Stelle der 50 bedrohtesten Tierarten in Österreich. Auf einem Areal hinter dem Heeresspital in Stammersdorf lebt mit gezählten 828 Tieren eine der letzten großen Populationen des Landes. Doch genau dort sollen in den kommenden Jahren 950 geförderte Wohnungen entstehen.
Die Bürgerinitiative IGL-Marchfeldkanal versucht seit Monaten gegen das von der Stadt Wien geplante Bauvorhaben zu mobilisieren. Knapp 4000 Unterschriften sind zusammengekommen, jetzt erwägen sie eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission. Die Idee dazu stammt vom Umweltministerium. Laut einem Schreiben, dass dem Standard vorliegt, verstoße eine Verbauung der Flächen "eindeutig" gegen Artikel 12 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. Die Ziesel und Hamster, die dort ebenfalls residieren, dürfen weder gefangen, noch gestört oder transportiert werden. Das Umweltministerium selbst will nicht tätig werden, empfiehlt der Bürgerinitiative aber explizit den Gang nach Brüssel.
Umwidmung trotz Ziesel
Dass es die seltenen Nager auf dem 70.000 Quadratmeter großen Areal gibt, ist zumindest seit 2007 behördlich dokumentiert. Damals wurden sie noch als "Plage" von Anrainern gemeldet. Die Umwidmung zum Baugrund fand dennoch 2009 statt. Im Umwidmungs-Bericht der MA 21 tauchen die Tiere jedoch nicht auf. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung fand auch nicht statt. Ein Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) bezweifelt jedoch, ob die Kenntnis über Hamster und Ziesel eine Änderung des Widmungsverfahrens bewirkt hätte.
Im September 2011 veröffentlichte die für Umweltschutz zuständige MA 22 eine Studie der Biologin Ilse Hoffmann, die den Bestand genau kartiert hat. Ludwig lies daraufhin den Bauträgerwettbewerb um das Nager-Problem erweitern. In einem Schreiben von ihm heißt es, Ziel des eingeleiteten Naturschutzverfahrens sei es, die Bebauung im Einklang mit dem Artenschutz zu ermöglichen. Die Bauträger Kabelwerk und Donaucity haben nun Hoffmann beauftragt. Bis Ende 2013 hat sie Zeit, eine Ausgleichsfläche in der Nähe so attraktiv zu gestalten, dass die Ziesel und Hamster freiwillig umsiedeln.
"Herumdoktern am Gesetz"
Ob das klappt, weiß niemand. Erst müssen die Bauträgern ein Verfügungsrecht erwerben, dann erst kann Hoffmann das Areal umgestalten. Doch Ziesel sind die Diven im Naturreich und sehr heikel, was ihren Wohnraum betrifft. "Blumenwiese und lockere Bäume dazwischen" könnten ihnen gefallen, meint Hoffmann.
Für Helmut Bauer von der Bürgerinitiative sind all diese Bemühungen ein " Herumdoktern am Gesetz". Dass der Ursprungsbericht über die Ziesel bei der Umwidmung übersehen wurde, zeuge vom mangelnden Umweltbewusstsein der Stadt. Seine Hoffnung: 2005 bewahrte ein SPÖ-Antrag im Gemeinderat schon einmal die Ziesel auf den Radio Austria Gründung vor Bebauung.
(Julia Herrnböck, DER STANDARD, 5.4.2012)