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Umberto Bossi (li.) und sein Sohn Renzo (re.) stehen im Mittelpunkt des jüngsten Finanzskandals der Lega Nord.

Foto: REUTERS/Giorgio Perottino

Ausgerechnet die Partei, die sich stets als unbestechlich dargestellt hat, droht in einem Finanzskandal ersten Ranges zu versinken: Gegen Schatzmeister Francesco Belsito ermitteln die Staatsanwälte wegen Veruntreuung, Betrugs, Geldwäsche und illegaler Parteienfinanzierung. In einer Vorstandssitzung zog Parteichef Umberto Bossi die Konsequenzen und trat zurück. Die Fraktion soll interimistisch von einem Triumvirat geleitet werden, hieß es am Donnerstagnachmittag. Dass der 70-Jährige, der die Lega Nord zwei Jahrzehnte lang in autoritärem Stil führte, den jüngsten Skandal politisch überleben würde, galt schon seit Tagen als unwahrscheinlich.

In vier Wochen stehen in Italien Gemeindewahlen an, bei denen die Lega Nord ohne Koalitionspartner und nun auch ohne streitbaren Parteichef, antritt.

Der 41-jährige Abgeordnete Belsito hatte zurücktreten müssen, nachdem die Finanzpolizei den Parteisitz in Mailand durchsucht und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt hatte. Nach Überzeugung der ermittelnden Staatsanwälte wurden die Bilanzbücher der größten Oppositionspartei seit acht Jahren "massiv gefälscht" und seien "völlig undurchsichtig". So sollen die Söhne von Parteichef Bossi, Riccardo und Renzo, rund 250.000 Euro kassiert haben. Und die enge Vertraute des senatúr Rosi Mauro soll 300.000 Euro erhalten haben."Wenn ich auspacke, legen sie euch allen die Handschellen an", drohte Belsito in einem Telefongespräch mit Bossis Sekretärin, die von den Ermittlern drei Stunden lang verhört wurde. Mit Bewilligung des Parlaments öffneten die Ermittler den Safe des Schatzmeisters, in dem sich auch eine Mappe mit der Aufschrift "The Family" befand, in der die Zuwendungen an die Familie des Parteigründers dokumentiert sind.

Als Türsteher begonnen

Belsito, der die Lega Nord in Ligurien anführte und in der Regierung von Silvio Berlusconi als Staatssekretär amtierte, soll auch sieben Millionen Euro an Parteigeldern in abenteuerliche Finanzspekulationen in Tansania und Zypern investiert haben.

Der Schatzmeister hatte seine Laufbahn als Türsteher einer Diskothek und Chauffeur eines ehemaligen Forza-Italia-Ministers begonnen und war 2002 zur Lega Nord übergewechselt. Der bullige Porsche-Liebhaber, der es bis zum Vizepräsidenten der Großreederei Fincantieri brachte, soll enge Beziehungen zu einem 'Ndrangheta-Clan in Kalabrien gepflegt haben.

Drei gut informierte Führungsmitglieder der Lega Nord hatten schon im vergangenen Jänner die Entlassung Belsitos aus seinen Ämtern gefordert - allerdings vergeblich, Bossi hielt an ihm fest. Das streitbare und protesterprobte Fußvolk der größten Oppositionspartei reagierte ernüchtert und kleinlaut auf den Skandal. Der ehemalige Innenminister Roberto Maroni, forderte ein "Großreinemachen" in der Partei - da war von Bossis Rücktritt noch keine Rede. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, 6.4.2012)