Im Netz, aber nicht nur da, formieren sie sich: Die neuen politischen Alternativen. Und solche, die das gerne werden wollen.

Collage: DER STANDARD

Bild nicht mehr verfügbar.

Düringer versteht seine Wutbürgerrede weniger als Impulsgeber denn als eine "kleine Volkszählung, um zu schauen, wie die Stimmung wirklich ist".

Foto: APA/Neubauer

Klagenfurt/Wien - Was den Franzosen der Widerstandskämpfer Stéphane Hessel, ist den Österreichern ihr Roland Düringer. Während Ersterer mit seinen Manifesten ("Empört Euch!", "Engagiert Euch!") seine Mitbürger politisch wachzurütteln versuchte, hielt der heimische Kabarettist seine viel beachtete "Wutbürgerrede" im TV. Sein Sukkus: "Wir sind wütend, ziemlich wütend, weil diese Polit-Marionetten offenbar ihre Aufgabe vergessen haben, nämlich uns, der Gemeinschaft zu dienen."

Heute ist Düringer gefragter Ansprechpartner diverser Bürgerinitiativen, die ihre Unzufriedenheit über die Politik zu kanalisieren suchen. Im Gespräch mit dem STANDARD, findet er es zwar "schon prinzipiell gut, dass sich etwas tut" , hat aber ebenso prinzipielle Bedenken: Er rechnet damit, dass sich die diversen Gruppierungen "irgendwann untereinander zerstreiten" werden. "Weil ja alle ihre Idee für die bessere halten. Und das System wird zuschauen und lachen." Seine Wutbürgerrede versteht er weniger als Impulsgeber denn als eine "kleine Volkszählung, um zu schauen, wie die Stimmung wirklich ist".

Scheuch-Urteil Initialzündung für Kärntner Wutbürger

Und wie ist sie? Ein gutes Dutzend motivierte Zivilgesellschafter sind momentan unterwegs, die politische Landschaft zu erneuern. Eine der Gruppierungen ist im Polit-Brennpunkt Kärnten aktiv: die "Mutbürger Kärntens".

Sie sind zwar erst seit wenigen Monaten als Verein registriert, haben jedoch beachtlichen Zulauf. Erstmals in Erscheinung trat die vom Klagenfurter Unternehmer Franz Miklautz initiierte, lose basisdemokratische Bewegung kurz vor Weihnachten 2011 mit einem Mutbürger-Marsch zur Kärntner Landesregierung. Unmittelbarer Auslöser für die Gründung war die erstinstanzliche Verurteilung von FPK-Chef Uwe Scheuch wegen Korruption. Miklautz rief zur Internet-Abstimmung über Scheuchs Rücktritt auf, rund 95 Prozent der rund 15.000 Mitwirkenden wünschten sich den Rückzug Scheuchs.

Jetzt geht man dran, die Mutbürger in den Bezirken und Gemeinden unter der Devise "Misch Dich ein" zu sammeln. "Wir müssen den Politikern klarmachen, dass wir der Souverän sind. Die Basis muss aufstehen, sonst ändert sich nichts", erklärt Miklautz. Für Großprojekte soll es verbindliche Volksabstimmungen geben, Politiker will man für Fehlentscheidungen oder das Verprassen von Steuergeld haftbar machen.

Für mehr Mitsprache ...

Die Forderung nach mehr direkter Mitsprache eint Initiativen von A wie amtsgeheimnis.at bis W wie willwaehlen.at. Während die vom Politologen Hubert Sickinger gemeinsam mit dem Journalisten Josef Barth gegründete Transparenz-Inititative die konkrete Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz stellt, erwägt die Plattform rund um den Publizisten Christoph Bösch neben der Bündelung aller jetzt Aktiven sogar die Parteiwerdung.

Ähnlich geht es Matthias Strolz mit seiner Initiative "Österreich spricht" an. Der Politikberater will eine "innovative Partizipationsplattform" nach amerikanischem Vorbild schaffen, bei der innerhalb eines Tages repräsentativ ausgewählte Personen Vorschläge zu einem Thema erarbeiten sollen - als Handlungsanleitung für die Politik. Zu Beginn soll in Wien und Innsbruck parallel zum Thema Transparenz zivilbürgert werden; es folgt der Bereich Bildung. Und im Herbst vielleicht die eigene Partei, für die man bereits mit Financier Frank Stronach im Gespräch ist.

... und politische Gärung

Für Johannes Voggenhuber "ist ein politischer Gärprozess im Gange, aber wir wissen alle noch nicht, ob daraus ein guter Wein oder Essig wird". Der ehemalige Grünen-Politiker ist mit anderen Altpolitikern, Künstlern und Wirtschaftstreibenden führend in der Bewegung "MeinOE" aktiv, die gegenwärtig Unterschiften für ein Demokratie-Volksbegehren sammelt. Und Voggenhuber gibt sich in Richtung seiner Mitbewerber gleich kämpferisch: "Nur mit einer Flagge ins Parlament einziehen zu wollen, mit Etiketten ohne Inhalt, wird nicht reichen."

Voggenhuber will eine "große Demokratiereform" in Österreich erzwingen. Zuerst über das jetzt gestartete Volksbegehren, dann wenn es sein sollte, auch als neue Partei im Parlament. Voggenhuber: "Wenn sich die Parteien weigern, unsere geforderten Reformen im Bereich der Demokratie, im Sozialen in der Bildung und Verwaltung durchzuführen, ist nichts auszuschließen."

Um etwa einen Roland Düringer aus der Masse der Nichtwähler heraus zu holen, bedarf es auch einer ganz grundsätzlichen Änderung des Systems: "So, wie jetzt Politik gemacht wird, gehe ich nicht wählen." (Walter Müller, Karin Riss, Elisabeth Steiner, DER STANDARD, 6.4.2012)