Grass, so Harald Schmidt, habe ein Gedicht publiziert, "worin er sich im Grunde über das schlechte Wetter beschwert.": Zum Nachsehen hier auf Sat.1

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Es wäre bestimmt verfrüht, das Fernsehgetöse um das Israel-Gedicht von Günter Grass einem schmerzlich gewordenen Hunger nach Poesie zuzuschreiben. Aber die Gelegenheit wurde immerhin am Schopf gepackt. Ungesäumt rückten die Kamerateams nach Berkenthin bei Lübeck aus, wo der greise Nobelpreisträger den öffentlich-rechtlichen Gedichtlesern mit sehr bestimmter Miene Frage und Antwort saß.

Grass, der noch vor der ersten Frage seine Pfeife zu stopfen geruhte, nennt eine sehr praktikable Bibliothek sein Eigen: Die teils in Kipplage stehenden Bände verraten, dass Grass einen stark impulsiven Gebrauch von seinen Nachschlagewerken macht. Zu trinken gab es Tee aus einer wohlgebauchten Kanne. Was Grass dann gesagt hat, stützt die Vermutung, sein Wissen über Israel sei enden wollend. "An den Pranger gestellt" fühle er sich. Sein markanter Schnauzbart ließ keine Gemütsregung erkennen.

In der Harald Schmidt Show am selben Abend begrüßte der Talkmaster seine weiblichen Gäste launig wie folgt: "Ich sehe, viele Frauen haben sich aus Solidarität einen Schnauzbart wachsen lassen!" Grass, so Schmidt weiter, habe ein Gedicht publiziert, "worin er sich im Grunde über das schlechte Wetter beschwert."

Man dürfe das alles freilich nicht so eng sehen. Auf Nachfrage gestand das Saalpublikum, den heiß diskutierten Text gar nicht erst gelesen zu haben. Das sei komisch, so Schmidt, denn: "Er hat Kontroversen ausgelöst - in seiner Küche und in den daran angeschlossenen Zeitungsredaktionen." Schmidts durchaus wohlwollende Konklusion: "Der Günter - mittlerweile ein Fall für betreutes Dichten!" (Ronald Pohl, DER STANDARD, 7./8./9.4.2012)