Bild nicht mehr verfügbar.
Ein Archivbild eines Chinook-Helikopters der USA bei einer so genannten Nacht-Razzia in der afghanischen Provinz Paktika.
Kabul - Afghanistan und die USA haben nach monatelangen Verhandlungen ein Abkommen über umstrittene nächtliche Razzien geschlossen. Damit wurde der Weg für eine umfangreichere Vereinbarung bereitet. "Heute sind wir dem Aufbau einer strategischen US-afghanischen Partnerschaft einen Schritt näher gekommen", sagte der Chef der NATO-Truppen in Afghanistan, US-General John Allen, am Sonntag nach der Unterzeichnung des Abkommens.
Der afghanische Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak erklärte, die Einsätze stünden nunmehr unter afghanischer Führung und müssten von afghanischen Richtern genehmigt werden. Viele Afghanen verurteilen die Razzien als Verletzung ihrer Privatsphäre. Auch Präsident Hamid Karzai hatte sich solchen Beschwerden gegenüber der NATO angeschlossen.
"Die Unterzeichnung dieses Dokuments ist ein grundlegender Schritt hin zur nationalen Souveränität Afghanistans", sagte der afghanische Verteidigungsminister. Allen sprach vom "zweiten wichtigen Meilenstein hin zur afghanischen Souveränität in weniger als 30 Tagen". Am 9. März hatten die USA und Afghanistan eine Übereinkunft unterzeichnet, wonach das Gefängnis auf dem US-Stützpunkt Bagram binnen sechs Monaten an die afghanischen Behörden übergeben werden soll.
"Unterstützerrolle" für ausländische Soldaten
Nach Angaben des Sprechers von Staatschef Karzai, Aimal Faizi, bleibt ausländischen Soldaten etwa aus den USA fortan lediglich "eine Unterstützerrolle bei den nächtlichen Einsätzen". Künftig werde ein Gremium aus afghanischen und NATO- beziehungsweise US-Vertretern über nächtliche Einsätze entscheiden, sagte Faizi. "Wenn die Notwendigkeit eines nächtlichen Einsatzes besteht, wird dieses Gremium entscheiden, und die letzte Entscheidung wird von Afghanen gefällt." Die Afghanen würden dann zudem entscheiden, ob und in welcher Form westliche Unterstützung benötigt werde. Möglich sei Unterstützung aus der Luft.
Nach Angaben von US-Regierungsvertretern in der vergangenen Woche war einer der Knackpunkte bei den Verhandlungen, wie lange die US-Armee festgenommene Verdächtige festhalten darf. Nach Angaben von Karzais Sprecher sind künftig aber die afghanischen Behörden für die Häftlinge zuständig.
Problematische Nachteinsätze
Die Nachteinsätze westlicher Spezialkräfte beim Kampf gegen die Aufständischen, bei denen auf der Suche nach feindlichen Kämpfern etwa Häuser durchsucht werden, sind bei der afghanischen Bevölkerung äußerst unbeliebt und sorgen immer wieder für schwere Verstimmungen zwischen Kabul und dem Westen. Die USA beharren aber darauf, da mit den Nachteinsätzen große Erfolge gegen die Taliban erzielt würden. Im März hatte Allen bei einer Anhörung vor US-Senatoren gesagt, 2011 seien 2.200 solcher nächtlichen Einsätze erfolgt. In 90 Prozent der Fälle sei dabei kein Schuss gefallen, zivile Opfer seien selten.
Die Übereinkunft zu den nächtlichen Einsätzen gilt als wichtiger Schritt hin zu einem Abkommen zwischen den USA und Afghanistan für die militärische Zusammenarbeit nach 2014. Bis dahin soll die NATO-geführte ISAF-Truppe ihren Kampfeinsatz in dem Land beendet haben, die meisten der derzeit rund 130.000 ISAF-Soldaten sollen bis dahin abgezogen werden. Die USA planen laut Regierungsvertretern, nach 2014 noch rund 15.000 US-Soldaten in Afghanistan zu belassen, unter anderem für die Ausbildung der afghanischen Armee und für den Kampf gegen den Terrorismus. (APA, Reuters, 08.04.2012)