Bild nicht mehr verfügbar.

Bereits im Oktober 2010 hatten Künstler und Architekten ehrenamtlich eine Bestandsaufnahme auf der Piazza San Pietro in L'Aquila unternommen. Allerdings kommt der Wiederaufbau nicht so richtig in Schwung.

Foto: EPA/CLAUDIO LATTANZIO

38 Sekunden lang bebte die Erde vor drei Jahren in den Abruzzen. 309 Menschen starben, 65.000 wurden obdachlos. Für sie begann ein Leidensweg, dessen Ende trotz aller Hilfsversprechen unabsehbar erscheint. L'Aquila, die Hauptstadt der Region, ist immer noch eine Geisterstadt. Stünden nicht Stützbalken und Gerüste in der zerstörten Altstadt, wollte man glauben, die Katastrophe wäre eben erst geschehen. Schutthalden versperren den Weg durch die mittelalterlichen Gassen, die historischen Bauten muten wie Skelette an. Statt Ladenschildern sieht man Warnschilder: "Vorsicht Einsturzgefahr".

Der Archäologe Salvatore Settis nennt L'Aquila "das Pompeji des 21. Jahrhunderts". Der Vergleich hinkt leider nicht. So wie Pompeji in den letzten Jahren still vor sich hin bröckelte, so wartet auch L'Aquila auf den Wiederaufbau. In beiden Fällen ist es nicht nur eine Frage des Geldes. Man ist sich nicht einmal darüber einig, wie und was wiederaufgebaut werden soll. Will man ein altes oder neues L'Aquila? Eine Smart City, um innovative Städteplanung auszuprobieren, mit neuen Infrastrukturkonzepten, energieeffizienten Gebäuden, intelligenten Energieversorgungsnetzen, Informations- und Kommunikationstechnologien? Oder will man das alte L'Aquila aus Schutt und Asche auferstehen lassen?

20.000 Menschen in Trabantenstädten

Mehr als 20.000 Menschen leben heute immer noch in provisorischen Unterkünften: Die "New Towns" wurden als Trabantenstädte unter der Regierung Berlusconi aus dem Boden gestampft. Nun scheint die knapp drei Milliarden teure Übergangslösung zur Dauerlösung zu werden. Die zweite Phase, der Wiederaufbau, für den 7,7 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, hat noch nicht begonnen.

Konflikte zwischen den Behörden und - wie in Pompeji - Angst vor Mafia-Infiltration bei der Vergabe öffentlicher Aufträge blockieren die Sanierungsarbeiten. Nur das Wahrzeichen, der Brunnen der 99 Röhren, wurde sofort nach dem Beben restauriert. Diese Röhren symbolisieren die 99 Festungen, die sich auf Geheiß des Stauferkaisers Friedrich II. 1230 zu L'Aquila, dem "Adler", zusammenschlossen.

Hoffen auf EU-Gelder

Vage ist die Hoffnung, dass der neue Kurs der Technokraten-Regierung Monti das alte L'Aquila auferstehen lässt. Die Regierung hat zwar soeben 700 Millionen Euro für den Wiederaufbau einiger öffentlicher Gebäude freigegeben. Doch so wie bei Pompeji schielt sie in Richtung Brüssel.

Wenn die EU unter Anleitung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) plant, mehrere Milliarden Euro zu investieren, um europäische Städte zur innovativen Urbanisierung anzuregen: Warum sollte das mittelalterliche L'Aquila nicht mit von der Partie sein und in eine Smart City verwandelt werden können? OECD-Experten und Regierungsvertreter sind zuversichtlich, die Bürger von L'Aquila weitaus weniger. (Eva Clausen aus L'Aquila, DER STANDARD, 11.4.2012)