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Josef Haslinger findet Günter Grass habe mit seinem umstrittenen Gedicht "im Prinzip einen wichtigen Punkt angesprochen".

Foto: APA/dpa/Rainer Jensen

Leipzig/Berlin - In der andauernden Debatte über das Israel-kritische Gedicht  ("Was gesagt werden muss") von Günter Grass hat der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger, Direktor des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig und Professor für literarische Ästhetik, dem Literaturnobelpreisträger bescheinigt, "im Prinzip einen wichtigen Punkt angesprochen" zu haben.

Grass habe nämlich aufgezeigt, dass in Verhandlungen über die Beschränkung von Atomwaffen die israelischen Atomwaffen und ihr Beitrag zur Aufrüstung im Nahen Osten stets ausgespart würden, sagte Haslinger der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch). "Bloß fehlt Grass die nötige moralische Autorität für dieses Thema", fügte Haslinger hinzu.

Literaturnobelpreisträger als "Clown der Medienindustrie"

Nach Ansicht des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse liegt der eigentliche Skandal um das Gedicht darin, dass 15 deutsche Zeitungen und 25 Blätter der Weltpresse diesen Text des Literaturnobelpreisträgers publiziert haben und ihn "sofort mit aufgeregten Kommentaren umrankten". In einem Beitrag für das am Donnerstag erscheinende Wiener Magazin "News" schrieb Menasse: "Die Medien produzieren selbst den Skandal, den sie dann berichten, kommentieren und diskutieren."

Grass sei nicht erst mit diesem Text ein "Clown der Medienindustrie" geworden, "die Medienmacher schauen ihm lachend und händereibend zu, wie er offene Türen dort einzurennen versucht, wo gar keine sind, sondern nur aufgemalte Scheunentore in der Kulissenlandschaft der Öffentlichkeit", kritisiert Robert Menasse. Als "lyrisch" könnte man das "Gedicht" nur insofern bezeichnen, als es "eine Befindlichkeit und Gestimmtheit ausdrückt, die ich literaturgeschichtlich nur von einigen weitgehend vergessenen Beispielen jener Rauschgedichte kenne, die entstanden, als Dichter beim Schreiben mit Drogen experimentierten. Aber auch das stimmt nicht ganz - denn der Anspruch war damals immerhin Bewusstseinserweiterung."

"Traurig ist an dieser Geschichte, dass sie nun zum Anlass genommen wird, die Idee der engagierten Literatur und den Begriff des Intellektuellen grundsätzlich infrage zu stellen und der Lächerlichkeit preiszugeben", so Menasse.

Erich Loest verteidigt Grass

Der deutsche Schriftsteller Erich Loest (86) hat seinerseits Grass verteidigt. "Es wäre wünschenswert, zuständige internationale Behörden würden sich Israels heißeste Keller zeigen lassen", heißt es in einem Brief Loests, den die "Leipziger Volkszeitung" am Mittwoch veröffentlichte. (APA, 11.4.2012)