Wien - Einen Durchbruch für die Anleger in den Verfahren gegen die vormalige Constantia Privatbank hat es laut Anlegeranwalt Michael Poduschka vor dem Handelsgericht Wien gegeben. "Erstmals hat ein Gericht den 'Mut', Banken für die von ihnen selbst entwickelten - aber nicht selbst vertriebenen - Produkte haften zu lassen", so Poduschka.

Im vorliegenden Fall hat laut dem Anlegeranwalt ein österreichisches Gericht erstmalig Fehler des AWD bei der Vermittlung von Immofinanz-Aktien der Constantia Privatbank zugerechnet. Der Richter des Handelsgerichtes Wien, Heinz-Ludwig Majer, habe mit seiner nunmehrigen Entscheidung Neuland betreten: Bis jetzt wurde die Constantia Privatbank lediglich in jenen Fällen zur Haftung für den Verkauf von Immofinanz- und Immoeast-Aktien verurteilt, in denen Angestellte der Constantia Privatbank die Beratung vornahmen.

Der Oberster Gerichtshof (OGH) habe bisher Anlegerverfahren immer über den Verkaufsprospekt gelöst: Bei Meinl European Land (MEL) habe er die Meinl Bank als Verantwortliche für den Werbefolder haften lassen, beim Produkt FX Dragon Garant verneinte er eine Haftung, da sich die Beratung jeweils auf den Werbefolder gestützt habe und dieser nicht irreführend wäre.

Die Frage, ob Beratungsfehler eines "freien Beraters", der über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen tätig wird, der das Produkt verkaufenden Bank zuzurechnen seien oder nicht, habe der OGH bisher aber offen gelassen.

Im vorliegenden Fall sei für den Richter aber entscheidend gewesen, dass die Constantia Privatbank nicht bloß Vermittlerin sondern - wie in den meisten Fällen auch - Verkäuferin des Wertpapieres Immofinanz gewesen sei. Weiters habe die Constantia die Wertpapierdienstleistungsunternehmen - wie den AWD - mit Konto- und Depoteröffnungsanträgen, "sonstigen Investmentangaben" und anderen Unterlagen ausgestattet.

Beratungsfehler "auf der Hand"

Die Constantia Privatbank sei weiters mit der Immofinanz AG, deren Aktien sie verkaufte, personell verflochten gewesen, habe aus der Geschäftsbeziehung laufend Einkünfte bezogen und selbst ein Mündelsicherheitsgutachten beauftragt. Aus Sicht des Erstrichters wäre es daher vollkommen sachfremd, den AWD-Berater der Constantia Privatbank nicht zuzurechnen. Der Beratungsfehler des AWD-Beraters sei im vorliegenden Fall "auf der Hand" gelegen, so Poduschka.

Besonders die beiden kleinen Privatbanken Meinl Bank und Constantia Privatbank hatten vor rund zehn Jahren die Idee, eigene Produkte zu entwickeln und diese über Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu vertreiben, so Poduschka. Als diese Produkte (MEL, Immofinanz, Immoeast) dann "abstürzten", hätten sich die beiden Banken darauf zurückgezogen, für Beratungsfehler dieser "freien Berater" nicht zu haften. Dies trotz des Umstandes, dass die beiden Banken die Produkte verkauften, sämtliche Unterlagen für die Berater erstellten und laufend Einkünfte aus diesen Produkten lukrierten.

"Das Handelsgericht Wien hat nunmehr dieser 'Kindesweglegung' eine klare Absage erteilt, Banken haften für ihre Produkte, egal, durch wen sie sie vertreiben lassen", so Poduschka. (APA, 11.04.2012)