Wien - Ab dem Sommer wird die Volksanwaltschaft nicht nur Beschwerden von Bürgern prüfen, sondern auch präventiv jene staatlichen und privaten Einrichtungen kontrollieren, in denen es zum Entzug oder der Beschränkung der Freiheit kommt, etwa in psychiatrischen Einrichtungen. Der Menschenrechtsbeirat, der bisher im Innenministerium angesiedelt war, solle als "menschenrechtlicher Aufsichtsrat" die Volksanwaltschaft unterstützen, sagte Volksanwalt Peter Kostelka (SPÖ) anlässlich der Präsentation am Mittwoch. Vorsitzende des neuen Gremiums ist die Grazer Juristin Renate Kicker, die eine zwölfjährige Erfahrung aus dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) mitbringt.
Der neue Beirat, der am Mittwoch zur konstituierenden Sitzung zusammentraf, wird am 1. Juli seine Arbeit aufnehmen. Insgesamt gehören dem neuen Gremium 16 Mitglieder an. Acht Mitglieder werden von NGOs nominiert, sieben von der Bundesregierung und ein Mitglied wird von den Bundesländern ausgewählt. Unter den Mitgliedern, die von NGOs entsandt wurden, finden sich etwa Heinz Patzelt von Amnesty International, Martin Schenk von der Diakonie und Philipp Sonderegger von SOS Mitmensch. Volksanwältin Terezija Stoisits (Grüne) sagte, es sei ein "einzigartiger Prozess" gewesen, die Mitglieder von der Zivilgesellschaft auswählen zu lassen.
Umsetzung der Anti-Folter-Konvention der UN
Die Neuorganisation ist laut Gabriele Kucsko-Stadlmayer, der stellvertretenden Vorsitzenden des Beirats, eine "Zusammenführung von Bewährtem im Sinne des Menschenrechtsschutzes." Im Rahmen der Präsentation verwies sie darauf, dass der Beirat, der 1999 eingerichtet wurde, "sehr viel zur Professionalisierung der Polizeiarbeit beigetragen" habe.
In Zukunft berät der Menschenrechtsbeirat die Volksanwaltschaft bei der präventiven Kontrolle von Einrichtungen, in denen Menschen die Freiheit entzogen wird, sowie bei der Erstellung von Berichten. Gleichzeitig soll er eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Prüfstandards spielen. 4.200 öffentliche und private Einrichtungen werden ab 1. Juli kontrolliert: Straf- und Untersuchungsanstalten, Kasernen, psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Wohngemeinschaften für Jugendliche sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Die Kontrollen werden von sechs Kommissionen mit insgesamt 42 nebenberuflichen Mitgliedern durchgeführt.
Mit den neuen Kompetenzen für die Volksanwaltschaft werden das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention (OPCAT) und der darin geforderte "Nationale Präventionsmechanismus" (NPM) umgesetzt. OPCAT verlangt eine systematische Kontrolle aller Orte, an denen Freiheitsentziehung stattfindet. Sowohl Kicker als auch Kucsko-Stadlmayer lobten im Rahmen der Präsentation die neue Struktur als "großartige Lösung", die auch international vorbildlich sei. Sie zeigten sich zuversichtlich, dass damit Lücken im Schutz der Menschenrechte geschlossen werden können.
Bereits Ende März kritisierte allerdings Georg Büstmayr, einer der Kommissionsleiter des alten Menschenrechtsbeirats, dass aufgrund der Erweiterung des Aufgabenfeldes die Polizei künftig nicht mehr so intensiv beobachtet werden könne. (APA/hays, derStandard.at, 11.4.2012)