Mit dem überfälligen, aber würdevollen Rückzug von Rick Santorum aus dem republikanischen Vorwahlkampf hat Mitt Romney die zweithöchste Hürde auf dem Weg ins Weiße Haus genommen. Die höchste wartet noch auf ihn: Nach derzeitigen Umfragen ist Amtsinhaber Barack Obama der Favorit für die Wahl im November. Die Stimmung kann allerdings rasch umschlagen, vor allem wenn sich die fragile Wirtschaftslage wieder eintrübt. Daher lautet ab nun eine Schlüsselfrage in der amerikanischen Politik, was für ein Präsident Mitt Romney denn wohl wäre.

Das Wichtigste zuerst: Romney ist sicherlich kein gemäßigter Republikaner. In den Vorwahlen 2008 war er der Vertreter des konservativen Flügels; er stand rechts von George W. Bush und auch von Ronald Reagan, dem Säulenheiligen der Konservativen. Seither hat er sich kaum bewegt; nur seine Partei ist so weit nach rechts gerückt, dass er sich plötzlich an ihrem linken Rand wiederfand.

Aber Romney ist auch kein rechter Abenteurer. Er ist ein systematischer Denker und umsichtiger Manager; als Unternehmer hat er sein Vermögen nicht durch geniale Ideen gemacht, sondern durch geschickte Sanierungen. Die pragmatische Wendigkeit, die ihm so viele Parteigänger vorwerfen, hilft ihm im anlaufenden Wahlkampf und würde ihm auch als Präsident zugutekommen.

Ein unüberlegtes Wagnis wie den Irakkrieg von 2003 hätte Romney wohl nie unternommen; und wenn, dann hätte er auf jedes Detail geachtet und viele Fehler von Bush vermieden. Trotz seines verbalen Säbelrasselns gegen Iran und China dürfte sich die US-Außenpolitik unter Romney nicht dramatisch ändern.

Die größten Schwachpunkte des Multimillionärs liegen im menschlichen Bereich. Romney hat mit ungeschickten Aussagen immer wieder den Eindruck vermittelt, dass er die Sorgen der kleinen Leute weder versteht noch verstehen will. Und auch beim politischen Networking hat er als Gouverneur von Massachusetts, seinem bisher einzigen Politjob, wenig Erfolg gehabt. Das konnte Bush viel besser. Aber intellektuelle Abgehobenheit wird auch Obama vorgeworfen. Die beiden zukünftigen Rivalen sind sich in ihrer Persönlichkeit viel ähnlicher, als sie es zugeben würden.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden liegt in der Natur ihrer Partei. Die Republikaner sind Gefangene ihrer Anti-Steuern- und Anti-Staats-Ideologie, und Romney fehlen eindeutig die Führungsqualitäten, um das Diktat der Tea Party zu brechen. Das Einzige, was er im Kongress wird durchsetzen können, sind noch niedrigere Steuern - und das nur bei einer republikanischen Mehrheit in beiden Häusern. Ein Präsident Romney wird trotz seines unternehmerischen Könnens weder das riesige Budgetdefizit eindämmen noch die dringend gebrauchten Investitionen in die Zukunft des Landes machen können - in Bildung, Forschung oder Infrastruktur. Und weitere Deregulierung, sein Lieblingsthema, ist das Letzte, was die US-Wirtschaft benötigt.

Den USA droht unter Romney daher nicht eine neuerliche konservative Revolution, die weltweite Empörung auslösen würde, sondern anhaltende Stagnation. Das hätte Auswirkungen auf die weltpolitische Stellung der Supermacht. Auch Obama hat kein Rezept gefunden, um den schleichenden Niedergang der USA zu stoppen. Romneys offensichtliche Schwächen könnten diesen noch beschleunigen. (Eric Frey, DER STANDARD, 12.4.2012)