Wien - Im Vorfeld der Verbund-Hauptversammlung haben Umweltgruppen und die Grünen am Donnerstag den führenden heimischen Stromerzeuger zum Ausstieg aus dem Handel mit Atomstrom und zum Stopp eines weiteren Ausbaus kalorischer Kraftwerke aufgefordert. Die Politik sollte entsprechenden Druck auf den Vorstand ausüben, wurde in einem Pressegespräch verlangt, schließlich stehe der Verbund zu knapp 84 Prozent in öffentlichem Eigentum. Das geplante Gaskraftwerk Klagenfurt sollte der Verbund aus Kosten- und Umweltgründen überdenken, appellierte der Vertreter einer Bürgerinitiative aus Kärnten: Die Inversionswetterlage im Klagenfurter Becken vertrage keinen neuen Feinstaub-Emittenten, und für den Fernwärmebedarf gebe es Alternativen.

Vom bisher dritten Anti-Atomstromgipfel der Regierung am kommenden Montag erwartet sich der Präsident des Umweltdachverbandes, Gerhard Heilingbrunner, "eine klare Anweisung" der Republik als 51-Prozent-Mehrheitseigentümerin, dass der Verbund aus den Atomstromgeschäften aussteigen müsse. Während der Staatskonzern in den Medien mit 100 Prozent aus Wasserkraft-Strom werbe, vertreibe seine Dumpingstrom-Tochter Verbund Sales GmbH 79 Prozent aus Graustrom und sei daher für mehr als zwei Tonnen radioaktive Abfälle für Strom in Österreich verantwortlich.

Grüne hoffen auf nächsten Anti-Atomstrom-Gipfel

Der Verbund preise zwar Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen als "grüne Batterien" an, betreibe selbige aber mit Strom unbekannter Herkunft. Damit verbrauche Österreich 55 Prozent des Stroms des Reaktorblocks I des AKW Mochovce für die Pumpspeicherung, erklärte Heilingbrunner. Das sei "scheinheilig", täusche die Verbraucher und hintertreibe einen Atomausstieg in Europa. Bei der 2013 fälligen Neubestellung des Verbund-Vorstands sollte das Management einen klaren ökologisch orientierten Auftrag bekommen und selbst eine Roadmap zum Atomstromausstieg vorlegen müssen.

Auch von Greenpeace und Global 2000 gab es vor der HV im Austria Center in Wien Proteste und Kritik am Stromhandel des Verbund. Konzernchef Wolfgang Anzengruber setze alles daran, an einen Atomstrom-Importstopp zu verhindern, "der Verbund predigt Wasserkraft, verkauft aber Atomstrom", heißt es in einem Greenpeace-Flugblatt. Global 2000 brachte nach eigenen Angaben Anzeigen gegen den Verbund ein, weil im Zusammenhang mit dem Atomstromhandel Verwaltungsübertretungen vermutet werden, indem die an Kunden gerichteten Rechnungen und Werbematerialien unrichtige Angaben enthielten.

Die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, sagte, ein Atomstromimport-Verbot sei aus Sicht ihrer Partei möglich, und auch die Abgabe von Graustrom könnte unterbunden werden. Deshalb sei der nächste Anti-Atomstromgipfel am kommenden Montag "der Tag der Entscheidung", dann müsse die Regierung "Farbe bekennen".

Verbund-Chef weist Vorwürfe zurück

"Wir importieren praktisch nichts, und mit Atomkraftwerken hat der Verbund keine Verträge", sagte Verbund-Generaldirektor Anzengruber am Donnerstag. Der Verbund sei im Vorjahr nur für zwei Prozent der Stromimporte verantwortlich gewesen, und diese seien ausschließlich aus Deutschland gekommen. Der Stromhandel, in dem sich der Verbund in insgesamt 19 Ländern in Europa betätige, diene der Absicherung der eigenen Erzeugung: "Hier geht es um die Optimierung des marktgetriebenen Einsatzes unserer Kraftwerke."

Die Import-Situation werde von den Kritikern immer wieder falsch dargestellt und kommentiert, beklagte Anzengruber vor den Aktionären. 2011 habe Österreich insgesamt etwas mehr als 20 Terawattstunden (TWh) an Elektrizität eingeführt, auch um die normale Volatilität übers Jahr auszugleichen. 13 TWh davon seien aus Deutschland gekommen, 10 TWh aus Tschechien. Der Verbund habe dabei nur eine kleine Menge importiert und auch ausschließlich aus Deutschland. "Wir sind ein Erzeugungs- und kein Importunternehmen", so Anzengruber.

Europäische Stromkennzeichnung

Bei der Zertifizierung seiner Wasserkraftwerke sei der Verbund ein Vorreiter und Trendsetter gewesen, erinnerte der Konzernchef. Zudem setze man sich seit langem für eine lückenlose Stromkennzeichnung in Europa ein.

Für den 51-Prozent-Eigentümer Republik Österreich erklärte Markus Preiner vom Wirtschaftsministerium im Namen von Ressortchef Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in der HV, man sollte sich zum Thema Atomstromimporte nicht in virtuellen oder statistischen Zahlen ergehen, sondern sich vielmehr auf europäischer Ebene für eine Reduzierung des "Graustrom"-Anteils einsetzen. Ein Verbot für den Import von Atomstrom oder Graustrom nach Österreich sei rechtlich nicht möglich. (APA, 12.4.2012)