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Dioncounda Traore, Malis am Donnerstag vereidigter Übergangspräsident.

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Malis Präsident Amadou Toumani Touré machte den Weg frei für eine Übergangsregierung.

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Tuareg-Rebellen.

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"Besonders im Niger gab es in den letzten Jahren parallel zu den Problemen in Mali Rebellionen. Nun besteht eine gewisse Gefahr, dass die wieder ausbrechen."

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In der westafrikanischen Republik Mali wurde drei Wochen nach dem Sturz von Präsident Amadou Tomani Touré durch Militärputschisten der Vorsitzende der Nationalversammlung, Dioncounda Traoré, als Interimspräsident vereidigt. Er soll innerhalb von 40 Tagen Neuwahlen in dem ehemaligen "Musterland" organisieren. Tourés Amtszeit wäre ohnehin im Juli beendet gewesen, trotzdem putschte das Militär. Touré sei unfähig, mit den Tuareg-Aufständen im Norden des Landes fertigzuwerden.

Die neue Regierung in Bamako kontrolliert mittlerweile nur noch die Hälfte des Landes, die Tuareg haben den Militärputsch genutzt, um die Kontrolle im Norden an sich zu reißen und einen unabhängigen Staat auszurufen. Der Politologe Matthias Basedau fasst im Interview mit derStandard.at die Hintergründe zusammen und bewertet die neue Gefahr durch islamistische Tuareg-Rebellen in Mali, durch die das Land stärker in den geopolitischen Fokus der USA und Frankreichs rückt.

derStandard.at: Der Präsident der Nationalversammlung, Dioncounda Traore, wurde am Donnerstag zum Interimspräsidenten ernannt. Der weitere Plan sieht Wahlen innerhalb von 40 Tagen vor. Ist das insgesamt eine gute Lösung mit Chancen auf Umsetzung?

Basedau: Es ist definitiv besser, als wenn die Militärjunta an der Macht geblieben wäre. Illegitime Machtübernahmen ziehen ja automatisch entsprechende Sanktionen nach sich. Es ist jetzt wichtig, ausreichend Unterstützung gegen die Tuareg-Rebellen zu haben. Was die Chance auf Umsetzung betrifft, bin ich verhalten optimistisch. Wahlen waren in Mali sowieso in nächster Zeit geplant, die Frage ist nur, wie das im Norden organisiert werden soll. An der aktuellen Krise in Mali sieht man aber, dass auch afrikanische "Musterländer" nicht so stabil sind, wie sich das Akteure der Entwicklungshilfe oft wünschen.

derStandard.at: Auch nach der Machtübergabe will Putschistenführer Hauptmann Amadou Haya Sanogo seinen politischen Einfluss im Land nicht sofort aufgeben. Am Montag sagte er, er werde gemeinsam mit Vertretern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) entscheiden, wie Mali nach einer 40-tägigen Übergangsphase regiert werden soll. Kann er die "Rückkehr zur Demokratie" noch scheitern lassen?

Basedau: Was er da anklingen lässt, bedeutet erst einmal nichts Gutes. Anscheinend hat er sich innerlich noch nicht von der Macht gelöst. Die Frage ist, wie weit er gehen wird, ob er versucht, Störfeuer zu zünden, oder sich nur erst an den Gedanken gewöhnen muss, dass er keinen Einfluss mehr hat.

derStandard.at: Was wird aus dem Norden Malis, wo Tuareg-Rebellen einen eigenen Staat ausgerufen haben und die Tuareg nur eine Minderheit darstellen?

Basedau: Hier gibt es mehrere Szenarien. Eine Variante wäre, die Tuareg dazu zu bewegen, wieder in den Staat Mali zurückzukehren. Entweder mit militärischen Mitteln mit oder ohne die Hilfe der Nachbarstaaten oder der Regionalorganisation ECOWAS. Oder man versucht es mit einer Verhandlungslösung, in der man ihnen mehr oder weniger weitreichende Zugeständnisse macht.

Die größte Gefahr für die Tuareg sind aber sie selbst. Sie dürften mittlerweile innerlich geschwächt sein und scheinen sich mehr und mehr aufzusplittern. Die zwei Hauptgruppen sind namentlich die islamistische Tuareg-Bewegung "Ansar Dine", die keinen separaten Staat will, sondern ein islamistisches Mali. Die "Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad" (MNLA) sind hingegen säkulare Rebellen, die für einen separaten Tuareg-Staat stehen. Dazwischen gibt es Gruppen und Kleinstrukturen, die sich von den anderen abgespalten haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiteren Spaltungen kommt, ist hoch.

derStandard.at: Der UNO-Sicherheitsrat hat sich besorgt über die "wachsende terroristische Bedrohung" in Mali gezeigt.

Basedau: Die islamistischen "Ansar Dine" sind tatsächlich ein Phänomen mit neuer Qualität. In den vergangenen Rebellionen hat dieses islamistische Element nur eine geringe Rolle gespielt. Man hat lange unterschätzt, dass es eine Verbindung zwischen den Tuareg und der Bewegung "Al-Kaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) gibt. Die AQMI ist ja ein Überbleibsel des algerischen Bürgerkriegs, die hervorgegangen ist aus den islamistischen Rebellen gegen Algier und sich nachher mit Al-Kaida affiliiert hat.

Im Sahelraum ist AQMI sicher die Hauptgruppe. Sie hält Verbindungen zu Boko Haram in Nigeria und zu den Al-Shabaab-Milizen in Somalia. Ich würde aber nicht sagen, dass es feste Fronten gibt. Der ganze Sahelraum ist ein sicherheitspolitischer Hotspot. Durch das islamistische Element bekommt nun auch Mali geopolitisch größere Bedeutung. Das wird Akteure wie die USA und die Ex-Kolonialmacht Frankreich stärker auf den Plan rufen.

derStandard.at: Die Tuareg siedeln außer in Mali auch in anderen nordafrikanischen Staaten wie Algerien, dem Niger, Burkina Faso und Libyen. Wie ist die Situation in den Nachbarländern?

Basedau: Besonders im Niger gab es in den letzten Jahren parallel zu den Problemen in Mali Rebellionen. Die konnten allerdings durch Verhandlungslösungen mittlerweile beigelegt werden. Nun besteht eine gewisse Gefahr, dass die bewaffnete Rebellion im Niger wieder ausbricht. Was Libyen betrifft: Die Krise in Mali hat weniger Auswirkungen auf Libyen, als umgekehrt die Krise in Libyen auf Mali Auswirkungen hat. Viele gut ausgebildete Söldner Gaddafis aus den Tuareg-Reihen sind nach der Niederlage der Gaddafi-Truppen mit schweren Waffen nach Niger und Mali geflohen. Sie haben die militärische Überlegenheit der Rebellen in Mali mitbedingt. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 12.4.2012)