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Die Entscheidung, ob Selbstanzeige oder nicht, ist wie jene zwischen Lift und Rolltreppe.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Glaubt man den Protagonisten des Steuerabkommens zwischen Österreich und der Schweiz, gibt es nur Gewinner. Die fürs Budget angepeilte Milliarde ist angesichts der Menge des dort geparkten Schwarzgeldes durchaus realistisch (wenn nicht sogar zu wenig) und für den Staatshaushalt höchst willkommen. Darüber hinaus können die verantwortlichen Entscheidungsträger den Deal als Schlag gegen Steuerhinterziehung verkaufen. Aber ganz so schillernd ist die Sache nicht und allzu euphorische Lobgesänge müssen mit Vorsicht genossen werden.

Nicht nur der Staat gewinnt dabei, sondern auch die betroffenen Steuerflüchtlinge, indem sie ungeschoren davonkommen. Denn diese werden vor eine Entscheidung gestellt: Entweder sie stellen sich per Selbstanzeige und führen brav die verschwiegenen Steuern ab, oder sie werden erwischt und müssen zu einem höheren Steuersatz nachzahlen. Personen, die keine Selbstanzeige durchführen, werden aber belohnt: Sie bleiben dabei anonym.

Das ist im Endeffekt das einzig Neue an der Geschichte, denn die Möglichkeit zur Selbstanzeige gibt es schon länger, und das nicht nur, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Daher sendet das Abkommen kein gutes Signal an Menschen, die mit solchen Tricksereien nichts am Hut haben: Als Reaktion auf eine Straftat wird der Täter straffrei gestellt. Kein Verbrechen der Welt wird so geahndet.

In der Volkswirtschaftslehre könnte in diesem Zusammenhang der Begriff "moral hazard" (moralisches Risiko) angewendet werden, denn wem wirklich etwas an der Geheimhaltung liegt, der wird kaum einen Anreiz haben, sein Vergehen selbst zu melden. Der Staat bietet den Personen im Grunde eine Versicherung auf Straffreiheit an - die Personen können sich freikaufen. Wer es sich leisten kann, wird die schmerzhaften Strafzahlungen als Konsequenz schon verkraften, das ist eben der Preis für die Anonymität.

Durch das Abkommen, werden keine Anreize gesetzt, dass jemand sein Verhalten in der Zukunft ändert, was Kritiker berechtigterweise auf die Barrikaden gehen lässt. Sollten Betroffene es sogar schaffen, ihr Geld aus der Schweiz abzuziehen und es unbeobachtet in andere Oasen zu transferieren, können sie einfach auf weitere Abkommen in der Zukunft hoffen.

Was bleibt, ist der bittere Nachgeschmack, dass Steuerhinterziehung im großen Stil ein Kavaliersdelikt bleibt. (Clemens Triltsch, derStandard.at, 13.4.2012)