Wien - Vor zwanzig Jahren war Michael L. noch gefeierter Börsenstar, am Donnerstag sitzt er im Wiener Landesgericht vor Richterin Bettina Körber und wippt mit dem Angeklagtensessel. Um mehr als 10.000 Euro soll er die Wiener Gebietskrankenkasse betrogen haben, indem er Beiträge nicht zahlte. Was er bestreitet - in einer Art, die man böswillig als präpotent bezeichnen könnte.
Im Jahr 2005 war der 52-Jährige Aufsichtsratschef einer Aktiengesellschaft, die eine Internetzeitung produzierte. Seine Tochter fungierte als Vorstand. Sie erkrankte schwer - und stellte L. Vollmachten aus. Im Mai gab es einen Konkursantrag der Krankenkasse, im Herbst ging das Unternehmen endgültig pleite.
Viel dreht sich um die Frage, ob der Angeklagte da operativer Geschäftsführer war. Bei einem Zivilprozess habe er noch ausgesagt, dass er das war, hält ihm Körber vor. Was er nun bestreitet. Er erklärt, warum: "Noch einmal, ich sitze im Ausland und bin immer eingeflogen", begründet er, dass er kaum etwas damit zu tun hatte.
Angeklagter will nicht auf die Anklagebank
Überhaupt: "Ein Zivilgericht hat für mich eine völlig andere Wertigkeit. Ich weiß ja, wie das läuft, dort hat ein Richter acht Verfahren am Tag, das wird bei Ihnen nicht so sein", vermutet er leicht gönnerhaft. "Wir haben zehn", knurrt die Staatsanwältin.
Nach seiner Einvernahme will er nicht auf der Anklagebank, sondern neben Verteidiger Peter Philipp Platz nehmen - "Ich kann ja hier nicht mitschreiben", sagt er. Das gehe nicht, erklärt ihm der Verteidiger, der sich gelegentlich auch bei Körber entschuldigt, er habe seinem Mandanten manche Dinge "schon zehnmal erklärt". Was L. nicht davon abhält, sie wieder zu verlangen und zu fragen.
Das Verfahren wird für weitere Zeugenbefragungen vertagt. (Michael Mösender, DER STANDARD, 13.4.2012)