Gefährlicher als jede der jüngsten Finanzblasen sei die "politische Blase" angehäufter Inkompetenz aufseiten der europäischen Regierungen. Das Platzen der Blase bedeutete ein Ende der EU, prophezeite George Soros am Beginn der Jahreskonferenz seines "Instituts für neues ökonomisches Denken" in Berlin.

In seiner Analyse der gegenwärtigen finanzpolitischen Situation wiederholte der US-Investor Soros seine Attacken auf die Deutsche Bundesbank und auf die deutsche Kanzlerin. Die Bundesbank agiere als wäre Deutschland ein eigenständiger Staat und nicht Teil der europäischen Währungsunion. Das sei eine falsche Politik, hinzu komme, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nach wie vor eher deutsche als europäische Politik betreibe.

Umdenken erforderlich

Insgesamt forderte Soros ein Umdenken in den Wirtschaftswissenschaften ein. Die Krisen seit 2008 seien auch deshalb entstanden, weil die Ökonomen ihr Fach fälschlicherweise für eine Naturwissenschaft hielten. In Wirklichkeit aber handle es sich bei der Ökonomie um eine Sozialwissenschaft. Die Finanzmärkte gehorchten keinen Gesetzen, etwa wie die Physik. Sie seien viel unbeständiger und seien besser mit der Philosophie eines Karl Popper zu verstehen als mit den Theorien eines Isaac Newton.

Die Vorstellung, dass die Wirtschaftswissenschaft ein eine Naturwissenschaft sei, erzeuge einen Hang zu scheinbarer Objektivität, als müsse alles so kommen, wie die Theorie vorsieht. Die Krisen hätten jedoch erneut gezeigt, dass es sich abspiele, wie die Sozialwissenschaften die Realität beschreiben: Die Gesellschaft und damit auch die Wirtschaft entwickeln sich letztlich nie wie man glaubt hat.(Gerfried Sperl aus Berlin, DER STANDARD; 13.4.2012)