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"Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Richterin Nicole Baczak ist eigentlich ein humorvoller Mensch. Leitet sie einen Prozess am Wiener Landesgericht, ist die Atmosphäre oft entspannt. Am Freitag war das ganz und gar nicht so. Der Grund: Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter, der Österreich verklagt hat.

Die Vorgeschichte: Am 19. September 2011 veröffentlichte Österreich einen Artikel, wonach Brandstätter, als er eine PR-Firma hatte und bevor er Chefredakteur wurde, einen Lobbyingvertrag mit der ÖBB um 108.000 Euro abschließen wollte. Angekündigt war das auf der Titelseite mit:
"Kurier-Chef wollte 108.000 Euro von ÖBB. Der Beweis: Er bot sich als Lobbyist an. Er wollte Kontakte zur ÖVP vermitteln."

Fast ein Dutzend Prozesse anhängig

Das wollte der 56-Jährige nicht hinnehmen, fast ein Dutzend Prozesse sind anhängig. Baczak muss an diesem Tag nur über die Titelseitenankündigung entscheiden. Und bittet zunächst Brandstätter in den Zeugenstuhl. Aus dem er fast wieder hochfährt, als ihn Österreich-Anwalt Peter Zöchbauer wegen eines Papieres fragt, in dem sein Lobbyingkonzept für die Bundesbahnen samt Honorarvorstellung aufgelistet ist.

"Ja, das Papier stammt von meiner Agentur und wurde an Ecker & Partner (eine weitere PR-Agentur, Anm.) geschickt. Die Frage ist aber: Warum wurde es gefälscht abgedruckt?", braust er auf. Tatsächlich: Während im Originaldokument dieser Adressat noch steht, ist er im Faksimile in Österreich verschwunden.

"Das ist hier keine Therapiestunde"

"Das Fragerecht steht Ihnen nicht zu", bescheidet die Richterin. Was Brandstätter nicht sonderlich beeindruckt, immer wieder wird er ungehalten. Kurz darauf belehrt ihn Baczak noch mit "Sie verkennen Ihre Position, Sie sind hier Zeuge in einem Verfahren", dann reißt ihr wenige Minuten später der Geduldsfaden, und sie ermahnt ihn formell. "Das ist hier keine Therapiestunde", merkt sie an.

Nachdem Ex-Geschäftspartner Dietmar Ecker die Österreich-Version bestätigt und Verlegersohn Nikolaus Fellner eine Fälschung bestreitet, gibt Baczak Österreich recht.

"Man muss Dokumente fälschen, damit man was wird in diesem Land. Das ist ungeheuerlich!", bricht es aus Brandstätter hervor. Sein Anwalt Stephan Ruggenthaler versucht, ihn zu beruhigen, als das nichts fruchtet, kann er nur noch raten: "Dann gehen Sie hinaus." Der Kurier-Chef macht genau das, dass die Entscheidung nicht rechtskräftig ist, bekommt er daher nicht mehr mit. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 14./15.4.2012)

Reaktion

Brandstätter bezieht sich auf ein Dokument, das "Österreich" abdruckte. etat.at erklärte der "Kurier"-Chef dazu, das Handelsgericht habe "Österreich" untersagt, dieses angebliche Dokument zu verwenden. Er habe sich echauffiert, weil die Richterin offenbar nicht kümmere, wenn Medien gefälschte Dokumente verwende. Nach seiner Wahrnehmung habe Ecker zudem die Richtigkeit der abgedruckten Versionnicht bestätigt.

Sein Anwalt habe ihm zudem aus dem Verfahren berichtet, dass die Richterin die zweite Seite des Entgegnungsbegehrens offenbar nicht gelesen habe. (red)