Politikerhärte trotz privaten Engagements: Tschetschenen-Abschiebung aus Kärnten im Jänner 2008.

Foto: Alois Moritsch

Für Familie Gereev, die für die Kärntner Fremdenbehörde dringend abzuschieben ist, ist die Hilfe privater Unterstützer derzeit entscheidend. Mit offenen Briefen und Behördenvorsprachen versuchen Bürger auf die Lage der Tschetschenen hinzuweisen - der Standard berichtete.

Am Freitag befand sich der Vater nach einem Suizidversuch weiterhin auf der geschlossenen Abteilung der Villacher Psychiatrie. Die Mutter und vier Kinder waren im Wiener Familienabschiebezentrum Zinnergasse untergebracht: "Getrennt abgeschoben wird die Familie nicht, also planen wir fürs Erste keine Maßnahmen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Der Superintendent der evangelischen Kirche Kärntens, Manfred Sauer, der Verein Aspis sowie zahlreiche Privatpersonen setzten sich vehement für die Familie Gereev ein, die seit 2007 in Kärnten lebte. Private hatten auch alle Kosten für die Familie übernommen.

Aufstand der Zivilgesellschaft

Immer öfter kümmern sich in Kärnten Private um von Abschiebung bedrohte Asylwerber. So etwa die Wissenschafterin der Uni Klagenfurt, Ruth Lerchster: "Irgendwann war für uns eine Grenze erreicht in Bezug auf den Umgang mit asylsuchenden Menschen. Wir wollten ein Zeichen im fremdenfeindlichen Kärnten setzen." Freilich seien private Einzelinitiativen keine Dauerlösung: "Die ganze Zivilgesellschaft muss aufstehen und sagen, so nicht."

Lerchster hat seit 2008 Asylwerber, die von der umstrittenen Saualm flüchteten und aus der Grundversorgung fielen, bei sich im Haus aufgenommen. Der verstorbene BZÖ-Landeshauptmann Jörg Haider hatte diese Anstalt für mutmaßlich kriminelle oder kranke Flüchtlinge in der Einschicht errichten lassen. Damals konstituierte sich das " Aktionskomitee für mehr Menschlichkeit und Toleranz", eine lose Plattform von Bürgern, NGOs und der katholischen Nonne Schwester Andrea.

Hilfe von Urlaubsgästen

Auf den Abschiebebescheid gegen ein Baby reagierten in Vorarlberg Schrunserinnen und Schrunser 2009 mit dem Aufschrei: "Wir brauchen diese Kinder!" Mit Helene und Franz Rüdisser, einem pensionierten Pädagogenpaar, arbeiten angesehene Gemeindemitglieder für die Integration der Flüchtlinge. Finanziell unterstützt werden sie von Menschen aus dem ganzen Land, auch von Urlaubsgästen. Schwerpunkt ist die Hilfe bei Behördengängen. Haben die Familien das Bleiberecht erreicht, werden sie zuerst mit einem Willkommensfest gefeiert, dann langfristig begleitet.

In Oberösterreich kämpft Robert Zinterhofer seit 35 Jahren für Migranten. Für sein privates Engagement - bei dem seine Freizeit und ein Teil seines Geldes draufgehen - erhielt er 2007 den Menschenrechtspreis des Landes. Gemeinsam mit Heidi Haider verhinderte er in jenem Jahr die Abschiebung einer albanischen Familie, die nach fünf Jahren in Zinterhofers Heimatgemeinde Pabneukrichen "zurückgeführt" werden sollte. Mittlerweile benötigt die Familie keine Hilfe mehr. Der Vater arbeitet nach wie vor in einer Fleischhauerei, die zwei Kinder besuchen eine private mittlere Schule. Er und Haider sind heute keine Einzelkämpfer mehr. Heute gibt es in Oberösterreich die "Asylplattform", wo sich Bürger mit Institutionen vernetzt haben.

Vinzinest, -port, -bett, -schutz

Nicht bleiben zu dürfen, wo man sich zuhause fühlt, ist die eine Sache. Keine Bleibe zu haben die andere. Nur in wenigen Bundesländern gibt es Privatinitiativen neben der Caritas, die auch Unterkünfte für stellen. In Graz hat die Vinzenzgemeinschaft rund um den Pfarrer Wolfgang Pucher nach Einrichtungen für inländische Obdachlose auch zwei Häuser für Ausländer errichtet, wo großteils EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien unterkommen: das Vinzinest und den Vinzischutz speziell für ausländische Frauen. Ähnliche Häuser haben die Grazer Vinzenzgemeinschaften seit 2006 auch in Wien eröffnet: Vinziport und Vinzibett.

Unterstützt werden Asylwerber in der Steiermark seit einigen Jahren auch von der privat initiierten "Plattform Bleiberecht". In Salzburg ist eine aus rund 30 Personen bestehende Bleiberechtsgruppe seit 2011 aktiv. " Engagiert sind Privatpersonen, die in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld von Abschiebung bedrohte Menschen haben", sagt Maria Wimmer, Leiterin vom katholischen sogenannten Arbeiter-Begegnungs-Zentrum. Gemeinsam mit der "Plattform für Menschenrechte", sagt Wimmer, wolle man Informations- und Lobbyingarbeit für ein humanes Bleiberecht leisten. (bri/cms/jub/ker/neu/stein, DER STANDARD, 14./15.4.2012)