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Said Jalili, Khameneis Mann in Istanbul.

Foto: Reuters/Orsal

"Fünf plus eins hat nachgegeben!", so oder ähnlich titeln die regierungsnahen Zeitungen in Teheran seit Tagen über die bevorstehende neue Runde der Gespräche zwischen dem Iran und den fünf Vetomächten im Sicherheitsrat und Deutschland, die heute in Istanbul beginnt: Der Westen habe die Forderungen des Iran erfüllt, die Atomgespräche werden zuerst in Istanbul und später in Bagdad, wie der Iran es wollte, weitergeführt.

Hinter vorgehaltener Hand sind sich Regierungskritiker jedoch einig, dass man im Iran wegen massiver innenpolitischer Probleme und wirtschaftlicher Engpässe nachzugeben und nach Istanbul zu kommen gezwungen war.

Ob eine Änderung des iranischen Atomprogramms, wie der Westen dies will, wirklich machbar ist, wird bezweifelt: Das Programm ist eine wichtige Karte im innenpolitischen Poker. Vordringlichstes Ziel des Westens ist es erst einmal, die iranische Uran-Anreicherung auf 20 Prozent zu stoppen und die entsprechende Anlage in Fordo schließen zu lassen.

Die Entscheidung darüber liegt weder beim Präsidenten noch beim Parlament, sondern allein beim religiösen Führer, Ali Khamenei. Said Jalili als Delegationsleiter in Istanbul ist ein Mann Khameneis. Er wird die Verhandlungen in ständiger Koordination mit dem Büro des religiösen Führers führen. Das Parlament und der Regierungschef haben sich danach zu richten - auch wenn es nach außen vielleicht anders aussieht.

Massive Unstimmigkeiten zwischen Parlament und Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad wurden zuletzt von Khamenei zugunsten des Regierungschefs entschieden. In einer Woche hat das Parlament zweimal seine Entscheidung revidiert. Zuerst wurde das Jahresbudget von der Wirtschaftskommission des Parlaments abgelehnt, aber am nächsten Tag mittels einer Änderungen im Wahlvorgang akzeptiert.

Auch die Forderung der Parlamentarier, Ahmadi-Nejads Arbeitsminister wegen der Ernennung von Said Mortazavi zum Chef der größten Wohlfahrtsorganisation das Misstrauen auszusprechen, wurde fallengelassen. Mortazavi wird beschuldigt, bei der Niederschlagung der Unruhen nach der Präsidentenwahl 2009 an Menschenrechtsverletzungen gegen Demonstranten beteiligt gewesen zu sein.

"Gelatinöse Entscheidungen des Parlaments", schreibt die Zeitung Shargh und riskiert wieder, verboten zu werden: "Ein Wink von oben hat gereicht, um die Parlamentarier in ihre Schranken zu weisen." Wer mit "oben" gemeint ist, weiß jeder im Iran. (N. N.* aus Teheran /DER STANDARD, Printausgabe, 14.4.2012)