Österreich erschwert seit Jahren den Kampf gegen Steuerhinterziehung, indem es auf den Resten seines Bankgeheimnisses beharrt. Das Recht der Kunden auf Anonymität soll durch den Steuerdeal mit der Schweiz noch tiefer einzementiert werden. Ob diese Strategie richtig ist und wem sie überhaupt nützt - diese Frage wird in Österreichs Innenpolitik kaum thematisiert. Das ÖVP-geführte Finanzministerium ist seit Jahren damit beschäftigt, den in der EU geltenden automatischen Austausch von Informationen über Zinseinkünfte zu blockieren.

25 Länder melden einander Zinserträge von EU-Ausländern. Dieses System der 2005 eingeführten EU-Zinsrichtlinie steckt zwar noch in den Kinderschuhen und ist verbesserungswürdig - trotzdem erleichtert die Datenweitergabe den Kampf gegen Steuerbetrug. So erfahren zum Beispiel die Behörden in Berlin, welcher Deutsche in Großbritannien ein Konto eröffnet hat. Österreich und Luxemburg verweigern sich diesem Prinzip standhaft - mit Verweis auf das heilige Bankgeheimnis. Der Deal mit der Schweiz unterstreicht diese Verhaltensauffälligkeit. Steuerflüchtlingen wird für die Zukunft Anonymität versprochen, die EU-Systematik wird durchbrochen.

Aber nicht an diesem Kernpunkt, sondern an Nebenschauplätzen entzünden sich die Debatten über den Steuerdeal. FPÖ, BZÖ, Grüne und Arbeiterkammer attackieren Finanzministerin Maria Fekter, weil sie angeblich Steuerflüchtlinge zu billig davonkommen lässt. Dabei muss jede Amnestieregelung mit finanziellen Anreizen arbeiten, um angenommen zu werden. Das Finanzministerium sichert sich den Zugriff auf Gelder, die sonst vielleicht für immer unversteuert geblieben wären. Außerdem gab es aus der Logik des Ministeriums heraus keinen Grund, nicht zuzuschlagen, haben doch Deutsche und Briten auch ihren Steuerdeal mit den Schweizern.

Ob es auf lange Sicht sinnvoll ist, wenn Österreich im Lager jener Länder bleibt, die die Steuerkooperation blockieren, muss hinterfragt werden. Eher nicht: Das EU-Modell zur Weitergabe von Kontoinformationen ist die weltweit effektivste Waffe im Kampf gegen Steuerbetrug. Dass die Reste des Bankgeheimnisses nicht abgeschafft wurden, hat zwei Gründe: Geldhäuser fürchten, Kunden zu verlieren, und viele Menschen hängen am Mythos Bankgeheimnis. Dabei hat der Durchschnittsbürger absolut keinen Vorteil vom Bankgeheimnis - die Nachteile aber trägt er, wenn andere Steuern hinterziehen.

Das Risiko, dass Banken potente und auf Verschwiegenheit bedachte Kunden an Singapur oder die Caymans verlieren, mag vorhanden sein - könnte aber auch als Investition in die Sauberkeit verbucht werden. Die Bankenpartei ÖVP sieht das anders und verteidigt das Bankgeheimnis in Brüssel. Immerhin ist sie dabei geradlinig. Die SPÖ dagegen fährt einen Zickzackkurs und agiert moralisch doppelbödig: Sie will Vermögende abkassieren, wettert los, wenn Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wegen Steuerhinterziehung (auf Zinszahlungen) Selbstanzeige erstattet, trägt aber das System mit. "Man kann nicht auf andere Länder warten, die nicht bereit sind, nach vorn zu gehen", begründete Hannes Swoboda, Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, seine Zustimmung zum Schweiz-Deal. Er irrt. Österreich ist nicht nach vorn unterwegs, sondern legt gerade den Rückwärtsgang ein. (András Szigetvari, DER STANDARD, 14.4./15.4.2012)