Last Exit: Facebook.

Spotify-CEO Daniel Ek pfeift derzeit auf den schnöden Mammon. "Die Frage, wann wir Gewinn machen, fühlt sich irrelevant an", sagte er zur schwedischen Zeitung Dagens Industri, "Unser Fokus ist ausschließlich Wachstum. Das ist Priorität Eins, Zwei, Drei, Vier und Fünf." Erst langfristig erwarte er, Profit zu machen.

Wenn man die mit den Rechteverwertern geschlossenen Verträge kennt, macht der Ansatz auch Sinn. Um überhaupt Streaming-Rechte zu bekommen, sind hohe Vorauszahlungen zu leisten. Damit erwirbt die Streaming-Website zwar das Recht eine erkleckliche Zahl von Streams anzubieten. Erst wenn diese Menge überschritten wird, sind weitere Zahlungen fällig.

Aber: Die Vorauszahlungen haben ein Ablaufdatum. Auch wenn die eingeräumte Zahl an Streams nicht verbraucht wird sind die Taler weg. Da das Geld also sowieso nicht zurückkommt, kosten zusätzliche Nutzer nur wenig extra, bringen aber Werbe- oder Abo-Einnahmen. "Wir wissen, dass wir mit jedem neuen Nutzer Geld machen, ob es ein Gratis-Kunde oder ein zahlender ist", sagt Ek, "Also ist jedes Wachstum gut für uns."

Umsatz steigt, Verlust auch

Vergangenes Jahr soll Spotify 1,69 Milliarden schwedische Kronen (190 Millionen Euro) umgesetzt haben, 160 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Verlust sei dabei 253 Millionen Kronen (28 Millionen Euro) auf 402 Millionen Kronen (45 Millionen Euro) geklettert. Mit diesen bislang vertraulichen Daten konfrontierte Dagens Industri den Spotify CEO.

"Diese Zahlen klingen angemessen", sagte Ek nach einigem Zögern. Und: "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir bereits dieses Jahr mehr als sechs Milliarden (675 Millionen Euro) umsetzen."

Wert von Spotify 3 Milliarden Euro

Das Geld, welches das schwedische Unternehmen verbrennt, kam zunächst von Ek und seinem Kompagnon Martin Lorentzon. Laut CrunchBase haben dann von 2008 bis 2011 Investoren in vier Runden Kapital von insgesamt etwa 140 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In der letzten Runde wechselten zehn Prozent der Unternehmens für 100 Millionen Dollar den Besitzer.

Die neuen Teilhaber bewerteten Spotify also mit mehr als einer Milliarde Dollar (aktuell 761 Millionen Euro). Nun gibt es Gerüchte über neues Interesse von Risikokapitalgebern. Sie sollen für nur fünf Prozent 200 Millionen Dollar zahlen wollen, also von einem Firmenwert von mehr als 4 Milliarden Dollar (3 Milliarden Euro) ausgehen.

Laut Ek braucht Spotify derzeit zwar kein Geld, würde es aber gerne nehmen. Gemeinsam mit Lorentzon und einigen Mitarbeitern hält er noch immer eine Mehrheit. Diese ist ihm nicht heilig, solange sie die Kontrolle über das Unternehmen behalten.

Keine Börsengang geplant

Dies könnte über eine von Google, Facebook und anderen Aktiengesellschaften bekannte Konstruktion funktionieren: Dabei halten die Firmengründer spezielle Aktien, die gegenüber den öffentlich gehandelten Anteilen ein vielfaches Stimmrecht vermitteln. So können Sie auch mit einem relativ kleinen Anteil weiterhin die Entscheidungen treffen.

Aber Spotify strebt nicht an die Börse, auch wenn das in dem Land sehr populär wäre. Aktien von Ikea und Spotify würden die Schweden gerne kaufen, hat eine Untersuchung Anfang April ergeben. Bleibt die Frage wie die Spotify-Investoren ihr Investment zu Geld machen können.

Wert von Spotify 0 Euro

Die Meisten tippen auf einen Verkauf an den Partner Facebook, oder einen ähnlichen Krösus. In der Branche wird hinter vorgehaltener Hand häufig die Meinung vertreten, dass Dienste wie Spotify im gegebenen Umfeld nie Gewinne scheffeln werden. Zu jenen, die das auch laut sagen, gehört Industrieveteran Michael Robertson. Seines Zeichens Gründer von MP3.com, Linspire und anderen Startups. Derzeit betreibt er den Musikspeicher MP3tunes und den Webradio-Rekorder Dar.fm.

Aus seiner Sicht ist es unerheblich, wie viel Umsatz Firmen wie Spotify, Rhapsody oder Rdio machen. "Sie werden nie profitabel sein", glaubt Robertson. Grund sei das Monopol des Systems aus Urheberrecht und dessen Verwertungsstruktur. Wer ein bestimmtes Lied streamen möchte, kann das nur von einem bestimmten Label und einem bestimmten Verleger lizenzieren.

Während die meisten Firmen die Wahl zwischen mehreren Lieferanten haben, ist ein Wechsel bei Musikrechten ausgeschlossen. Entsprechend sehen auch die üblichen Kontrakte aus.

Geheime Verträge

Bereits im Dezember bloggte Robertson über die in der Branche üblichen Geheimverträge für digitale Musikdienste. Die Label berechnen demnach einen Fixbetrag pro User, einen Fixbetrag pro gespieltem Musikstück und einen Prozentanteil am gesamten Unternehmensumsatz. Letzteres umfasst auch Umsätze die mit den Musikrechten nichts zu tun haben, wie zum Beispiel der Verkauf von T-Shirts mit dem Logo des Dienstes. Der höchste Wert dieser drei Berechnungen ist dann ausschlaggebend. Ist dieser Betrag zu gering kann eine Mindestzahlung schlagend werden.

Zunächst sind aber hohe Vorauszahlungen zu leisten und häufig wird auch ein Anteil am Unternehmen verlangt. Wettbewerb zwischen den Labeln wird dadurch vermieden, dass jedes Label Anspruch auf den höchsten Preis erhebt, der einem anderen Label gezahlt wird.

Ab morgen das Doppelte

Dem nicht genug: Laut Robertson räumen sich die Label das Recht ein, nach zwei Jahren den Preis neu festzusetzen. Nach eigenem Ermessen. Sollte ein digitaler Musikservice einmal erfolgreich sein, kann er so stärker gemolken werden.

Da es nach der Filetierung von EMI nur mehr drei große Label gibt, führt schon der Verzicht auf den Katalog nur eines Labels zu einem riesigen Loch im Musikkatalog eines Streaming-Anbieters. Das können sich höchstens kleine Nischenanbieter leisten.

Dazu müssen noch mit den Verlegern Abkommen getroffen werden. Es kann sehr aufwändig sein, überhaupt herauszufinden, wer der zuständige Verleger ist. In Europa muss mit einschlägigen Verwertungsagenturen je nach Land verhandelt werden. Diese haben schon von Rechts wegen ein Monopol.

Stolzen Muts und hoffnungsreich

Im Ergebnis wird im Hoffen auf bessere Zeiten gestreamt solange das Venture Capital reicht oder bis ein potenter Käufer gefunden wird. Letzteres scheint nicht ausgeschlossen, nachdem selbst Instagram im Handumdrehen für eine Milliarde Dollar gekauft wurde. Businessmodell irrelevant. (Daniel AJ Sokolov, derStandard.at, 15.04.2012)